Seerechtspraxis in Deutschland - ein „Modell 2000“
Axel Werbke
Auf die Frage nach den nationalen Folgerungen aus dem Inkrafttreten des SRÜ
haben Sie mit Ihrer Einladung zum 2. Rostocker Seerechtsgespräch vor dem
Hintergrund des immer wichtiger werdenden Rostocker Seehafens 1 bereits eine
exzellente Antwort gegeben. Zur Geltung des SRÜ gehört, daß sein Inhalt ver
breitet wird. Nachdem die Universität Rostock bis zu ihrem 575. Jubiläumsjahr
ohne das SRÜ auskommen mußte, soll es so nicht weitergehen. Es ist mir eine
Ehre und Freude, daß ich heute hier beginnen darf mit dem Glückwunsch an
die Alma Mater: alles Gute für die nächsten 575 mit dem SRÜ unter dem Arm!
Die Antwort, die ich Ihnen auf die Frage nach den nationalen Folgerungen aus
dem SRÜ gebe, ist optimistisch auf Praktisches gerichtet und dem 21. Jahr
hundert zugewandt. Wir sind gehalten, auf den in vielen Belangen „großen
Wurf' des SRÜ mit einem großen Entwurf des deutschen Seerechts zu antwor
ten. Meine Ausführungen werden sich ausschließlich auf das öffentliche See
recht des Bundes 2 beziehen und meine persönliche Auffassung wiedergeben.
Deutschland ist in der nördlichen Hemisphäre der erste Industriestaat, der
dem SRÜ als Vertragspartei angehört 3 . Deutschland ist mit Frankreich und
Schweden unter den ersten europäischen Staaten, die die mit einer aus
schließlichen Wirtschaftszone gegebenen Möglichkeiten zur Bekämpfung der
Umweltverschmutzung nach Maßgabe des SRÜ auszuschöpfen vermögen 4 . Der
Bundesminister für Verkehr hat im Rahmen einer umfassenden Politik der
maritimen Verkehrssicherheit 5 als erster das Verfahren des Art. 211 Abs. 3
SRÜ angewandt und in bestimmten dem deutschen Küstenmeer vorgelagerten
Bereichen mit Wirkung für die gesamte Schiffahrt besondere der Gefahrensi
tuation angepaßte Bedingungen für das Einlaufen in die inneren deutschen
Gewässer und das Auslaufen aus ihnen in Form einer Rechtsverordnung erlas
Vgl. Klaus Rebuschat, Die Hansestadt Rostock gewinnt die alte Größe zurück, in: DIE
WELTv. 30.12.1994, S. 1.
2 Zu den Fragen nach Landesrecht insbesondere Rainer Lagoni, Der Hamburger Hafen, die
internationale Handelsschiffahrt und das Völkerrecht, in: Archiv des Völkerrechts 26
(1988), S. 261 ff., Sönke Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989.
3 Als 67. SRÜ-Vertragsstaat mit Wirkung vom 16.11.1994 auf der Grundlage des Vertrags
gesetzes Seerechtsübereinkommen 1982 vom 02.09.1994 (BGBl. 1994 II, S. 1798) und der
Vertragsverordnung zum Übereinkommen vom 28.07.1994 zur Durchführung des Teils XI
des SRÜ vom 04.10.1994 (BGBl. II, S. 2565, 3796).
4 Grundlegend hierfür insbesondere die Änderung des Seeaufgabengesetzes im Rahmen von
Art. 5 des Ausführungsgesetzes vom 02.08.1993 zum Wiener Suchtstoffüberei»kommen
1988 (BGBl. 1993 I, S. 1407).
5 Vgl. Christoph Hinz, Seeschiffahrtspolitik 1994, in: HANSA 132 (1995), S. 6 f.