Seerechtspraxis in Deutschland - ein „Modell 2000“
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In der Seekartensprache des BSH als einem in Rostock inzwischen heimischen
Dialekt will ich drei thematische Bereiche unterscheiden:
1. Art. 94 Abs. 4 SRÜ: Jedes Schiff hat an Bord die für die sichere Fahrt erfor
derlichen Seekarten und nautischen Instrumente vorrätig zu halten.
2. Im Laufe der Fahrt müssen die Seekarten erforderlichenfalls berichtigt wer
den.
3. Die Seekarten müssen beim Navigieren richtig angewandt werden.
So ist das auch mit dem Seerecht.
I.
Zu dem Seerecht, das wir in Deutschland an Bord haben, nenne ich wie ange
kündigt drei Punkte.
1. Über den ersten habe ich vor Ihnen an dieser Stelle am 27. April dieses
Jahres ausführlich gesprochen 9 . Es handelt sich um die zahlreichen Elemente
der bestehenden Gewohnheitärechtsordnung, für die jetzt das Inkrafttreten des
SRÜ als solches nicht entscheidend ist: Die Rechtsverhältnisse der inneren
Gewässer, die höchstzulässige Breite des Küstenmeers, die Abgrenzung unse
res Festlandsockels, die Abgrenzung und das Prinzip der ausschließlichen
Wirtschaftszone als Ressourcen- und insbesondere Fischereizone, das interna
tionale Flaggenrecht, das common-heritage-Prinzip des Tiefseebodens, schließ
lich zu großen Teilen das Konflikt- und Immunitätsrecht. Ich brauche das
nicht im einzelnen zu wiederholen. Hier kommt es an Bord - um im Bilde zu
bleiben - auf den Kompaß an, der für die oftmals nur sehr feinen Schwingun
gen des Völkergewohnheitsrechts empfänglich ist 10 . Viel von diesem bisherigen
Gewohnheitsrecht wird für die Auslegung des SRÜ prägend sein.
2. Sodann ist zweitens natürlich in unserem Zusammenhang am wichtigsten
das SRÜ selbst samt seiner Interpretation zu Teil XI durch das Übereinkom
men vom 28. Juli 1994 11 . Die Bundesregierung hat in ihren amtlichen Denk
schriften zum SRÜ und Durchführungsübereinkommen 12 die ihr zutreffend er
scheinenden Auslegungen präzisiert. Besondere Bedeutung kommt für die
deutsche Seerechtspraxis den amtlichen Erklärungen zu, die die Bundesregie-
9 Axel Werbke, Die rechtliche Rolle des UN-Seerechtsübereinkommens bei seinem Inkrafttre
ten, in: Das UN-Serechtsübereinkommen tritt in Kraft: Inhalte und Konsequenzen für die
Bundesrepublik Deutschland, Berichte des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrogra
phie Nr. 4, Hamburg-Rostock 1994, S. 7 ff.
10 Umfassender Überblick über die bisherige Rechtslage s. Erwin Beckert / Gerhard Breuer,
Öffentliches Seerecht, Berlin - New York 1991.
11 Vgl. oben Fn. 3.
Bundestags-Drucksache 12/7829 S. 229 ff. und Anhang S. 332 ff.
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