Strafverfolgung im nationalen und internationalen Rahmen
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Der Vorschrift kommt für den Meeresumweltschutz im Bereich der Seeschifffahrt eine besondere Bedeutung
zu, da sie häufig mit dem Straftatbestand der Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) einhergeht und so
hilfsweise zur Anwendung kommen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei der polizeilichen Überprü
fung des Schiffes erhebliche Fehlmengen von Ölschlamm sowie weitere Indizien für illegales Einleiten fest
gestellt werden, die konkrete Meeresverschmutzung aber-z.B. hinsichtlich Ort, Zeit oder verantwortlicher
Person - nicht sicher belegt werden kann.
Als schwierig kann es sich erweisen, die tatsächlichen Sludge-Fehlmengen und die daraus resultierende
unrichtige Buchführung zu belegen. In diesen Fällen muss mit wissenschaftlich abgesicherten Schätzungen
gearbeitet werden. 27
In Deutschland ist insoweit durch gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung 28 anerkannt, dass bei der
Berechnung der Sludge-Fehlmengen die sogenannte 1 %-Regel zugrunde gelegt werden darf. Diese Regel
besagt, dass bei allen mit Schweröl betriebenen Schiffen von einem Sludge-Anfall von mindestens 1 % des
verbrauchten Brennstoffs auszugehen ist. Lediglich in den Fällen, in denen an Bord des Schiffes Vorrichtun
gen vorhanden sind, mit denen die Sludgemenge zusätzlich reduziert werden kann, und die Besatzung des
Schiffes diese Anlagen auch genutzt hat, kann von einem unter 1 % anfallenden Sludgeanteil ausgegangen
werden.
b) Illegale Leitungen
Sog. Bypässe können die Kontrollsysteme im Maschinenraum eines Seeschiffes umgehen und sodas
illegale Einleiten von Ölrückständen ins Meer ermöglichen. Um dem entgegenzuwirken, ist 1999 ein
Ordnungswidrigkeitentatbestand geschaffen worden, der vorsieht, dass bei unmittelbaren Verbindungen
von Ölschlammtanks nach außenbords ein Bußgeld bis zu 30000 € festgesetzt werden kann (§ 3 Abs. 4/
§ 9 MARPOL-ZuwV).
IV. Internationale Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung
Zum Abschluss internationaler Tagungen und Erfahrungsaustausche lässt sich zunehmend häufig das
Resümee vernehmen, die Abkommen zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen seien vielzählig und
detailreich - besonderes Augenmerk solle jedoch zukünftig auf eine verbesserte Durchsetzung der Rege
lungen gerichtet werden. Dies mag durchaus berechtigt sein; insoweit darf aber nicht außer Acht gelassen
werden, dass sich die Ermittlung und Ahndung von Meeresverschmutzungen durch Seeschiffe von der
herkömmlichen nationalen Fallarbeit unterscheidet. Bei der Verfolgung von Meeresverschmutzungen sind
regelmäßig ausländische Stellen zu beteiligen (s.o.), so dass leicht zeitliche Verzögerungen eintreten
können.
Unverzichtbar für die erfolgreiche Durchführung von Strafverfahren ist die förmliche Rechtshilfe, die u. a.
sicherstellt, dass dem aburteilenden Staat für das weitere Verfahren erforderliche Beweismittel rechtlich ver
27 Näher Brandt, Meeresumweltschutz in der Seeschifffahrt, NuR 2003, S. 411 ff, mit Rechtsprechungshinweisen
28 Grundlegend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 26.09.02 - 3 Ss 44/02 OWi-