Strafverfolgung im nationalen und internationalen Rahmen
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dass die Ermittlung und Überführung verantwortlicher juristischer Personen häufig umfänglich und z.T. sehr
zeltaufwändig sind. Erfolgreiche Ermittlungen führen jedoch zu sehr hohen Geldstrafen gegen Reedereien
oder andere verantwortliche juristische Personen, deren Vollstreckung zumeist auch gelingt. Derartige Ver
fahrensabschlüsse berechtigen dann sicher auch dazu, deutsche Sanktionen für einzelne Crewmitglieder
eines Schiffes milde zu belächeln. So mag es denn auch sein, dass die regelmäßig festzustellende Akzep
tanz der deutschen - faktisch schon Im Ermittlungsverfahren festgelegten - Geldstrafen lediglich deshalb
so hoch Ist, weil diese von den verantwortlichen juristischen Personen aus der „Portokasse“ gezahlt werden
können.
Übersehen wird häufig, dass auch das deutsche Recht begrenzte Möglichkeiten bietet, juristische
Personen zu belangen. Gemäß Art. 1b MARPOL-Gesetz Ist der Kapitän „als an Bord für sämtliche Maß
nahmen hinsichtlich der Verhütung der Meeresverschmutzung Zuständiger“ In der strafrechtlichen Verant
wortung (Garantenpflicht). Verletzt er diese Pflicht, kann die von Ihm Insoweit begangene Straftat gemäß
§ 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWIG) zur Verhängung einer Geldbuße auch gegen die
Reederei führen. Ferner könnte bei juristischen Personen, z.B. den Reedereien, auf Illegal erlangte Ge
winne, etwa die ersparten Entsorgungskosten, zugegriffen werden (§ 73 Abs. 3, 73a, 73b StGB). Sieht
man sich jedoch die deutschen Verfahrensabschlüsse der letzten Jahre an, stellt man nicht nur fest, dass
es sehr wenige sind, sondern auch, dass Maßnahmen gegen juristische Personen nicht ergriffen wurden.
Praktiker antworten darauf, dass der in § 30 OWiG geforderte Nachweis innerhalb kurzer Zelt nicht geführt
werden könne, dass häufig ein Individualverschulden nachgeordneter Crewmitglieder vorliege und die
Berechnung der ersparten Entsorgungskosten vielfältige, innerhalb kurzer Zelt ebenfalls nicht zu über
windende Schwierigkeiten bereite; denn Entsorgungskosten würden häufig nicht erspart, da diese vielfach
bereits - ob nun entsorgt werde oder nicht - In den gezahlten Hafengebühren enthalten wären. Bel Durch
sicht der Verfolgungsstatistiken drängt sich dennoch der Eindruck auf, dass auch nach deutschem Recht
hinsichtlich der Belangung juristischer Personen noch nicht genutzte Verfolgungsspielräume bestehen
müssten.
Im Ergebnis haben die Ermittlungsbehörden schon lange und auch zutreffend erkannt, dass ihre Strategie
zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen breiter angelegt sein muss, als sich auf die Verfolgung des
Straftatbestandes der Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) zu fokussieren. Repressive staatliche Tätigkeit
muss nicht erst mit dem schädigenden Ereignis beginnen. Daher werden schon seit geraumer Zeit ver
schiedene rechtliche Ansatzmöglichkelten genutzt, die als „Auffangtatbestände“ bezeichnet werden.