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Beobachtungsmaterials die Richtigkeit der schon früher (1852) von Dove*)
vermutheten und von ihm selbst (1872) auf Grund der ihm damals vorliegenden
Beobachtungen als höchst wahrscheinlich erwiesenen Thatsache, dafs die süd
liche Halbkugel der Erde unter höheren Breiten (von ca 40° Süd an)
wärmer ist, als die nördliche.*)
Seit dem Jahre 1872 sind durch die deutschen, englischen und französischen
Expeditionen zur Beobachtung des VoiÜberganges der Venus vor der Sonnen
scheibe auf Kerguelen, den Aucklands-Inseln und St. Paul meteorologische
Beobachtungen gewonnen und deren Ergebnisse theils für sich allein, theils in
Verbindung mit älteren Beobachtungen in verschiedenen Jahrgängen der österr.
Zeitschr. f. Met. und in diesen Annalen veröffentlicht.®) Es hat sich hierbei
die merkwürdige Thatsache herausgestellt, dafs Kerguelen, in ca 49* S-Br, eine
für diese Breite auffallend niedrige Jahrestemperatur, annähernd ca 4,2°, hat,
zumeist bewirkt durch die sehr kühle Sommertemperatur von 6,4°, während
die Wintertemperatur von ca 2° als eine milde oder gemäfsigte bezeichnet
werden kann. Die l l /s° südlicher gelegenen Aucklands - Inseln haben eine
Sommertemperatur von 9,8°. Nach dem gut konstatirten dreijährigen Jahres
mittel der Temperatur der klimatologisch ähnlich, wie die Aucklands-Inseln,
gelegenen Falklands-Inseln (in 517*° S-Br) von 6,1° zu schliefsen, ist der wahr
scheinliche Werth der Jahrestemperatur der Aucklands-Inseln gleich 7,0°.
Bei der grofsen Wichtigkeit einer genaueren Kenntnifs der Temperatur-
Verhältnisse der südlichen Erdhalbkugel für die Physik der Erde und für manche
Fragen der Geologie entschlofs sich Prof. Hann, die von ihm i. J. 1872 aus
geführte Berechnung der Jahrestemperaturen mehrerer Orte der Südkemisphäre
zwischen 33° S-Br (Valparaiso) und 56° S-Br (Kap Horn) zu revidiren und
zu erweitern.
Die theoretischen Arbeiten von Dove (1852), Hopkins (1852), Forbes
(1859), Sartorius von Waltershausen (1865), Firrel (1871) haben überein
stimmend die grofse Wahrscheinlichkeit dafür ergeben, dafs jenseits des Parallels
von 40° Süd die Temperatur der südlichen Halbkugel höher ist, als die der
nördlichen in entsprechenden Breiten.
Herr Al. von Woeikof hat dagegen in einem Vortrage: „Ueber die
klimatischen Verhältnisse der Eiszeiten sonst und jetzt“ in der Sitzung der
„Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“ vom 4. April 1880 (s. Verkandl. etc., 1880,
pag. 151—161) die Ansicht ausgesprochen, dais erst jenseits des Parallels von
55° Süd, bis zur Grenze des hypothetischen antarktischen Kontinents, auf der
Südhemisphäre eine höhere Temperatur anzutreffen sei, als auf der nördlichen
Halbkugel, und dafs innerhalb der Parallele von 40°- 55° Süd jene kälter sei,
als diese. Er stützt diese Ansicht zunächst darauf, dafs durch die grofse Menge
von Polareis etc. die Temperatur des Meeres in diesen Breiten sehr niedrig
ist und dadurch auch diejenige der Luft, und ferner auf die verhältnifsmäfsig
niedrigo Temperatm- von Kerguelen (s. oben), welche er, infolge der hier statt
findenden Kompensation erwärmender und erkältender Einflüsse, als typisch für
die Temperaturverhältnisse der entsprechenden Breiten der Südhemisphäre be
trachtet (s. a. a. 0. pag. 158 und 159), während J. Hann die Wärmeverhältnisse
von Kerguelen als anomale bezeichnet, nach welchen man nicht auf die der
entsprechenden Breiteuzone schliefsen könne.
Hann hat aus 6 Orten auf dem Meridian von Neu-Seeland (ca 175° Ost),
aus 8 Orten auf dem von Tasmanien (ca 148° Ost), aus 8 Orten auf dem der
Westküste von Südamerika (ca 72° West), aus 8 Orten auf dem der Ostküste
von Südamerika (ca 60° West) und aus 3 Orten auf und westlich von dem von
St. Paul (zwischen 60°—75° Ost) die jedem dieser fünf Durchschnitts-Meridiane
entsprechende jährliche Temperatur berechnet und durch Gleichungen dar
gestellt und mittelst dieser Gleichungen nachstehende Temperaturvertheilung
zwischen 35*—55° S-Br längs der fünf erwähnten Meridiane hergeleitet, sowie
*) S. Dove: „Verbreitung der Warme auf der Erdoberfläche“, 1852, pag- 15.
*) Vgl. „Zeitschr. f. Met.“ 1872 (Bd. VII) pag. 261—264, und „Hydr. Mitth.“ 1873, pag. 278.
3) Für Kerguelen s. „Hydr. Mitth.“, 1873, pag. 10; 1874, pag. 212; „Ann. d. Hydr. etc.*,
1875, pag. 115; 1877, pag. 296. Für die Auckland»-Inseln s. „Ann. d. Hydr. etc.“, 1879, pag. 471.
Arni. d. Hydr. etc., ISs'Ä Heft V. 7