Haarnagel: Eine landschaftskundliche Untersuchung des Elbufers zwischen Glückstadt und Kollmar
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Darauf will ich kurz eingehen. Das Wesentliche ist hier, daß der Fluß, wenn man Wasserfälle usw.
nicht berücksichtigt, nur eine Erosionsbasis besitzt, während der Priel von diesen mehrere hat. Der Priel
stellt sich nämlich immer auf den jeweiligen Wasserstand bei Ebbe ein. Haben wir also eine Stunde nach
Kentern des Stromes einen bestimmten Wasserstand erreicht, so besitzt der Priellauf die Erosionsbasis AB.
(Siehe Skizze.)
Das meiste im Watteil a vorhanden gewesene Wasser ist bei dieser Erosionsbasis abgeströmt. Nach
einer Stunde haben wir einen anderen Ebbestand, also auch wieder eine andere Erosionsbasis BC. Der Priel
lauf im Watteil b besitzt nun diese als Basis usw.
Der Erfolg ist nun, daß der Priel in den jeweiligen Watteilen eine verschiedene Ausfurchungskurve aus
bildet. Da aber das Fallen des Wassers ganz kontinuierlich erfolgt, werden alle kleinen Kurven in der
Praxis eine große zusammenhängende Kurve
bilden. Diese aber ist viel flacher als die eines
Flusses, der denselben Abhang hinabfließen
würde. Im Oberlauf des Priels ist nur noch so
wenig Wasser vorhanden, daß dieses nicht mehr
die Kraft hat zu erodieren. (Siehe Skizze.)
Da nun die Tiefenerosion bei einem Priel
nur sehr gering und die Erdschicht, in der sie
erfolgt, sehr weich ist, findet die Einstellung
der Priele auf die ausgeglichene Ausfurchungs
kurve sofort statt. Tatsächlich kann man dies
in der Praxis beobachten. Ein Hochpriel ist
nicht tief eingeschnitten, und eine Tiefenerosion
ist bei ihm nicht festzustellen.
Soeben wurde nachgewiesen, daß bei einem
Priel keine Tiefenerosion festzustellen ist, und
doch kann man sehr tief liegende Priele beob
achten (Tief- oder Dauerpriele). Wie ist dieses
zu verstehen ? Die Erhöhung der Prielufer ist durch Aufschlicken des Watts zu erklären. Der Priel be
fördert die in ihm ebenfalls abgelagerten Sedimente in die Elbe. Er behält also seine Lage bei, seine Ufer
aber heben sich. Diesen Vorgang kann man nach mehreren Tagen Ostwind im Watt sehr deutlich beob
achten. Der Priel erhält also nicht zur Hauptsache durch die Erosion seine Tiefenlage, sondern durch die
Erhöhung des Watts.
Trotz der starken Strömungen, die man vielfach in den tiefen Prielen beobachten kann, ist die Tiefen
erosion gering. Der Tiefpriel besitzt bereits die ausgeglichene Ausfurchungskurve. Dafür ist aber die Seiten
erosion um so stärker ausgeprägt. Die Tiefpriele im Schlickwatt haben meist große Mäander ausgebildet.
Sie sind in dauernder Wanderung begriffen und lagern ständig den Wattenschlick um.
Zusammenfassend wäre also zu sagen, daß ein Priel sich von einem Fluß vor allem darin unterscheidet,
daß er sofort die ausgeglichene Ausfurchungskurve bildet, und sich daher nicht mehr einschneidet. Während
ein Fluß seine Tiefenlage durch die Tiefenerosion erhält, erhält der Priel sie zur Hauptsache durch ein
Steigen des Watts.
Am Schluß dieses Abschnitts wäre nun noch die Frage zu lösen: Kann dieser oben festgestellte Unter
schied zwischen Priel und Fluß auch einen verschiedenen Bildungsvorgang bei ihren Mäandern zur Folge
haben. Ich glaube, man kann diese Frage ruhig verneinen, denn die Bildung der Mäander ist von denselben
Ursachen abhängig; nur vollzieht sich der Vorgang ihrer Entstehung in verschiedenen Zeiträumen. Die
Mäander des Hochpriels bilden sich sofort, die des Flusses brauchen zur Bildung eine längere Zeit.
b) Das Abbruchsvorlandwatt.
Dieses wird im Norden von dem Stillstandsvorlandwatt, im Osten von dem Vorland, im Süden von dem
geschützten Vorlandwatt und im Westen von der Niedrigwasserlinie begrenzt.
Das Abbruchsvorlandwatt unterscheidet sich deutlich von dem Stillstandsvorlandwatt. Es ist schmäler,
ist stärker geböscht und ist nur bei Ostwind von Schlick bedeckt.
An dieser Stehe soll gleich darauf hingewiesen werden, daß das Wattgebiet, das zwischen der südlichen
Priel:
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Skizze 8.
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