Originalbeiträge
Mitt Umweltchem Ökotox
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13. Jahrg. 2007/ Nr. 2
Anhang 1:
Wirkungsmonitoring: Hormone und hormonartige
Substanzen im Grundwasser von Altlaststandorten
T. von der Trenck (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und
Naturschutz Baden-Württemberg; e-mail:
Theo.v.d.T renck@lubw.bwl.de)
Hintergrund
Das eigentliche Ziel jeder Umweltpolitik ist das Erkennen und
Ausschalten von Störfaktoren, die das Ökosystem und damit
die Lebensgrundlage des Menschen gefährden. Handelt es
sich bei einem Störfaktor um eine chemische Substanz, so
steht deren Schadwirkung und weniger ihre bloße Anwesen
heit in einem Umweltkompartiment im Zentrum des Interes
ses. Nur bei einer eindeutigen Korrelation von Stoffkonzen
tration und -Wirkung besitzt das Konzentrationsmonitoring
eine hinreichende Indikatorfunktion. Diese eindeutige Korre
lation ist häufig nicht gegeben, da eine Vielzahl verschiedener
Stoffe die gleiche Wirkung ausüben kann. Sind die relevanten
Stoffe, die die gleiche Wirkung ausüben, nicht bekannt oder
ist ihre Liste nicht vollständig, wird Wirkungsmonitoring
unerlässlich. Ein prominentes Beispiel für diesen Fall sind
hormonaktive Substanzen in Gewässern einschließlich des
Grundwassers.
Ziel
Ziel der hier durchgeführten Untersuchungen ist der Nachweis
von hormonell aktiven Substanzen im Grundwasserabstrom
von Altablagerungen mit Hilfe des E-Screen-Assay und die
Zuordnung der Wirkung zu konkreten Schadstoffen mit Hilfe
einer parallel durchgeführten chemischen Analytik.
Methodik
Der E-Screen-Assay ist ein in-vitro-Testverfahren zur Bestim
mung der rezeptorvermittelten Östrogenen Gesamtaktivität
einer Wasserprobe. Er wird mit der Östrogenrezeptor(ER)-
positiven menschlichen Brustkrebszellinie MCF-7 in 96-Well-
Platten durchgeführt. Sein Endpunkt ist das östrogenabhän
gige Wachstum der Zellen im Vergleich zu Kontrollen mit und
ohne 17ß-Östradiol (E2). Der Proliferationseffekt berechnet
sich aus der höchsten mit einer Probe zu erreichenden Zell
zahl im Verhältnis zur Negativkontrolle. Die potentesten
Verbindungen sind die natürlichen Hormone E2, dessen
Abbauprodukt Estron und das als Kontrazeptivum verwendete
synthetische Hormon Ethinylöstradiol. Die Östrogene Aktivität
von bekannten Xenoöstrogenen wie Bisphenol A oder
Nonylphenol liegt um mehrere Zehnerpotenzen niedriger. Sie
wird in E2-Äquivalenten (EEQ) ausgedrückt. Die
Nachweisgrenze des E-Screen-Assays liegt für wässrige
Proben im Bereich von 0,1 ng/L EEQ.
Ergebnisse und Diskussion
Untersucht wurden Grundwasserproben von vier Altablage
rungen in Baden-Württemberg. Alle vier Standorte waren
ursprünglich als Kiesgruben genutzt und dann teilweise schon
vor dem 1. Weltkrieg bis in die 1970er Jahre hinein mit
Erdaushub, Bauschutt, Haus- und Gewerbe- bzw. Industrie
müll verfüllt worden. Keine der Deponien besitzt eine Basis
abdichtung.
In der Ablagerungsgeschichte der „Sandgrube im Regie
rungsbezirk KA“ fallen insbesondere Gaswerksabfälle, Rück
stände aus der Benzolerzeugung und Abfälle der amerika
nischen Streitkräfte auf. Entsprechend wurden im Grund
wasser Prüfwertüberschreitungen der Parameter PAK,
Phenole und aromatische Kohlenwasserstoffe festgestellt.
Die ehemalige „Kiesgrube im Reg.-Bez. FR“ ist durch die
Ablagerung von PCB-haltige Kondensatoren zwischen 1958
und 1972 bekannt. Auf diesem Standort wurden im Grund
wasser PCB im unteren pg/L-Bereich bestimmt. Die Ammo
nium-Konzentrationen liegen im Bereich von ca. 300-800 pg/L
(Prüfwert = 500 pg/L), der DOC (löslicher organischer
Kohlenstoff) zwischen 200 und 500 pg/L.
An drei Standorten wurde im Grundwasserabstrom eine
Östrogene Aktivität über der Nachweisgrenze ermittelt
(Tabelle A1).
Tabelle A1: 17ß-Östradiol Äquivalenz-Konzentrationen (EEQ)
der untersuchten Grundwasserproben
Altablagerung
Probename
datum
EEQ
[ng/L]
Sandgrube
25. 6. 2003
2,42
im Reg.-Bez. KA
5. 7. 2004
1,78
Kiesgrube
26. 6. 2003
2,12
im Reg.-Bez. FR
26. 6. 2003
2,46
2. 7. 2004
1,19
Deponie
26. 6. 2003
2,03
im Reg.-Bez. FR
2. 7. 2004
2,07
Altablagerung
26. 6. 2003
n.n.
im Reg.-Bez. KA
2. 7. 2004
n.n.
In der „Altablagerung im Reg.-Bez. KA“ wurden neben dem
üblichen Erdaushub, Bauschutt, Haus- und Gewerbemüll
auch Klärschlamm und Kfz-Abfälle abgelagert. Hier konnten
im Grundwasser Ammonium-Konzentrationen bis zu 14.000
pg/L bestimmt werden, während dagegen keine östrogen
artige Aktivität auftrat (Kontrollstandort).
Die im Grundwasser der drei Altablagerungen gefundene
Gesamtaktivität in der Größenordnung von 2 ng EEQ/L war
nicht mit den analytisch bestimmten Konzentrationen
bekannter endokrin wirksamer Stoffe wie Bisphenol A, Nonyl
phenol oder Phthalsäureestern zu erklären. Auch natürliche
oder synthetische Hormone können wegen ihrer schnellen
Abbaubarkeit nicht als Erklärung dienen.
Mit Hilfe von GC/MS-Untersuchungen wurde versucht,
weitere Stoffe mit endokriner Wirkung zu identifizieren. Dazu
wurden Flüssig-Flüssig-Extraktionen mit einem n-Heptan/
Diethylether-Gemisch durchgeführt. Die höchste Aktivität im
E-Screen-Assay wies dabei die sauer extrahierte Fraktion auf.