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Strafverfolgung im nationalen und internationalen Rahmen
Die zur Vollstreckung der Geldstrafen genutzten Sicherheitsleistungen werden zudem nicht durch die Be
schuldigten, auf die die Strafe eigentlich abzielen soll, gewährt, sondern durch die Reederei des betreffen
den Schiffes oder für diese durch einen Schiffsmakler. 15 Im Ergebnis, und dies lässt sich als gesicherte
Einschätzung zugrunde legen, zahlen die Beschuldigten so gut wie nie selbst die Strafe.
Dieser dem ersten Anschein nach einfach gelagerte Sachverhalt weist drei erhebliche Schwächen des
deutschen Strafrechts bei der Verfolgung von Meeresverschmutzungen auf: die Fokussierung lediglich auf
die unmittelbar Handelnden, die auch im internationalen Vergleich relativ niedrigen Geldstrafen sowie der
Umstand, dass die individuell bemessene Strafe von dem ermittelten Täter in der Regel gar nicht beglichen
wird. 16 Initiativen, diese Mängel gerade für den Bereich der Meeresverschmutzungen zu beheben, haben
bisher keinen Erfolg gezeigt. 17
4. Umgang der Praxis mit den bestehenden Grenzen
Trotz aller Erschwernisse und Widrigkeiten sind Motivation und Einsatz der Praxis zur Bekämpfung
von Meeresverschmutzungen groß. 18 Das schlägt sich nicht nur in der Anzahl der Schiffskontrollen
(2009: 13962 MARPOL-Kontrollen in den deutschen Häfen 19 ), sondern auch in den fortlaufend verbes
serten technischen Möglichkeiten zur Überführung der Verschmutzer nieder. 20 Auch dies mag dazu bel-
getragen haben, dass Nord- und Ostsee In den letzten Jahrzehnten sauberer geworden sind. Sowohl die
Anzahl als auch die Größe der Ölflecken nehmen seit geraumer Zelt ab, 21 und dies In einer Situation, in der
die Weltflotte beträchtlich gewachsen ist. 22 Dennoch sind die Verfahrensergebnisse In verschiedener Hin
sicht ernüchternd, was von den Verfahrensbeteiligten auf nationaler und internationaler Ebene auch erkannt
worden ist. Strafrecht mit seinen hohen Anforderungen an Tat- und Schuldnachweis sowie die vielfältigen
Internationalen Implikationen erschweren häufig zufriedenstellende Verfahrensverläufe und -abschlüsse.
In den Nachbarstaaten an Nord- und Ostsee steht man z.T. vor gleichen Problemen. Teilweise wird ver
sucht, so etwa In den Niederlanden sowie In Norwegen und Schweden, mit einem Unternehmensstrafrecht
wirksamer gegen Meeresverschmutzer vorzugehen. 23 Sicher wird man auf diese Welse die wirtschaftlich
Verantwortlichen stärker in den Blick nehmen können. Rückmeldungen aus der Praxis zeigen allerdings,
15 Die Zahlung von Geldstrafen durch Dritte erfüllt gemäß Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH St 37, S. 226 ff, 229 ff)
nicht den Straftatbestand der Strafvereitelung; kritisch dazu - unter Darlegung des Streitstandes in Rechtsprechung und Literatur -
Stree/ Hecker in: Schönke/Schröder (Fn. 1), § 258 Rz. 29, die diese Auffassung als Entwertung der Geldstrafe ansehen, da die
Sanktion den Verurteilten persönlich treffen solle.
16 Näher Brandt (Fn. 6), S. 264 ff, S. 270 ff m.w.N.
17 Vgl. u.a. Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages 2000, in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft (Hrsg.),
38. Verkehrsgerichtstag 2000, S.13 f
18 Vgl. die BSH-Jahresbehchte, in jeweils umfassende Übersichten über die verschiedenen staatlichen Aktivitäten enthalten
19 BSH, Jahresbericht 2009, S. 20 f
20 Vgl. Dahlmann (Fn. 8); Janssen (Fn. 8)
21 Näher in diesem Band: Deutscher, Internationale Programm und Übereinkommen - Vernetzung und Ausblick: Aktuelle Projekte,
S. 28 ff; Renken, Global Trends in Ship-Sourced Maritime Pollution, S. 10 ff, geht sogar von einer Rückläufigkeit seit 40 Jahren aus,
jedenfalls hinsichtlich groß
flächiger Verunreinigungen von großen Tankschiffen und hebt insoweit den zeitgleich rapide gestiegenen Ölhandel hervor
22 Vgl. z.B. Fontshaus Hamburg: http://www.fondshaus.de/web.nsf/id/DE_Marktreports
23 Zum Modell der Niederlande: de Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability of Corperations, 1996, S. 289 ff, 295 ff; einen recht
umfassenden Überblick über die Situation in Europa gibt Schünemann in: Leipziger Kommentar (Fn. 1), § 14 Rz. 79 ff m. w.N.