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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte.
1923. Nr. 2.
Haupttiefs im Norden bedingt (s. die Angaben über das Beobachtungsgebiet im Abschnitt 1). — Die
Station in der seichten Führer Lcy, abseits vom Hauptwege der Gezeitenwelle, nimmt eine Sonderstellung
ein; übrigens sind hier die angegebenen Zahlen nur als ganz grobe Näherungswerte anzusehen wegen der
mannigfachen Störungen der Beobachtungen. Die geringe Stärke des Gezeitenstromes in der Föhrer Loy
im Vergleich zu den anderen Stationen südlich des Wattenrückens steht im Einklang mit den Berech
nungen des Neubauamts Husum, wonach bei jeder Flut durch das Vortrapp Tief etwa 450 Mill. cbm
Wasser in das Sylter Wattengebiet befördert werden, durch die Föhrer Ley aber nur 100 Mill. cbm. (Die
durch das Lister Tief normalerweise eindringende Menge ist beiläufig auf 515 Mill. cbm berechnet w'orden 1 ).
Durchweg ist in diesen eigentlichen Prielen der Flutstrom dem Ebbstrom an Geschwindigkeit über
legen. Das Geschwindigkeitsverhältnis von Flutstrom und Ebbstrom ist in Tab. 1 (für alle Stationen
vom August 1921) durch den Quotienten „Größte Flutstromgeschwindigkeit: Größte Ebbstromgeschwindig-
keit“ (F: E) zum Ausdruck gebracht. Es ist zu beachten, daß der Beststrom aus diesen Höchstwerten nicht
beseitigt ist, so daß man sich vor zu weit gehenden quantitativen Schlüssen hüten muß. Bemerkenswert
ist jedoch, daß bei Hörnum Odde („Senta“) gerade bei Ostwind die größte Geschwindigkeit des Flutstroms
am stärksten hervortritt 2 ). Nachwirkungen des Windstaus kommen hierbei nicht in Frage. Ebenfalls
ist bei einigen Stationen nördlich des Wattenrückens auch bei östlichen Winden die Flutströmung kräftiger
als die Ebbströmung. Man wird also dies Verhältnis als tatsächlich ansehen können. Wenn in den süd
lichen Prielen im Mittel der Stationen und Beobachtungstiefen der Flutstrom den Ebbstrom an Geschwin
digkeit prozentual stärker übertrifft, als in den nördlichen Prielen, so entspricht dies der Beobachtung,
(die für das ganze Wattengebiet an der Westküste Schleswigs gelten soll), daß hinter den Inseln normaler
weise bei Hochwasser eine Strömung von Süden nach Norden setzt 3 ).
In dem Vor bericht über die Beobachtungen im Hevergebiet in Juni 1921 (Annalen der Hydrographie
1921, S. 400) findet A. Merz in Übereinstimmung mit Wendicke (a. a. O. S. 44 bis 47) auf der offenen Nord
see für den Flutstrom, im Wattenmeer für den Ebbstrom die größere Geschwindigkeit. (Auch die von
A. Merz zugrunde gelegten Geschwindigkeitswerte sind nicht vom Reststrom befreit.) Das ist für das
Wattengebiet das umgekehrte Verhältnis, wie es sich für die eigentlichen Priele hinter Sylt ergeben hat. Ob
die Mühlen-Au (Husumer Au), deren Fortsetzung durch das Watt die Hever bildet, den Ebbstrom merk
lich zu beeinflussen vermag, entzieht sich zunächst der Beurteilung. Zu beachten sind auch die ganz ver
schiedenen Größenverhältnisse der Priele. Die Heverrinne mit einer Breite von 0.5 bis 1 Seemeile und
Tiefen von 7 bis 15 m (nur ganz vereinzelt 20 m und mehr) bei Springniedrigwasser steht hinter den Haupt
rinnen im Sylter Watt bedeutend zurück. Es erscheint sehr wohl (lenkbar, daß bei derartigen Breiten-
und Tiefenunterschieden die Bewegungen in der eindringenden und zurückflutenden Gezaitenwelle ver
schieden sind. Jedenfalls dürfte die einfache Formel nicht zutreffen, daß auf der offenen See der Flut
strom, im Wattenmeer der Ebbstrom die größere Stärke hat.
4. Die Eintrittszeiten des Ebb- und Flutstromes.
Die Kürze der meisten Beobachtungsreihen und die Ungunst der Wetterverhältnisse machen sich
besonders störend fühlbar bei dem Versuch, die Eintrittszeiten von. Ebb- und Flutstrom zu bestimmen
und für die verschiedenen Stationen vergleichbare Daten zu ermitteln.
Um die Kurven der Nordsüd- und Ostwestkomponenten auch für die Feststellung der Kenterzeiten
benutzen zu können, wurde die Dauer des Ebb- bezw. Flutstromes durch die Festsetzung begrenzt: Ebb
strom läuft, solange der Strompfeil eine prielabwärts gerichtete Komponente hat, Flutstrom, solange
eine prielaufwärts gerichtete Komponente vorhanden ist. Für die Beobachtungsstelle des „Poseidon“
wurde statt der Prielrichtung diejenige des stärkstem Ebb- bezw. Flutstromes eingesetzt, wie sie aus den
Stromrosen zu entnehmen ist. Der Augenblick, in dem die Stromrichtung senkrecht zu dieser Achse
1 ) S. Eich, Die Höhe der Sturmfluten hinter der Insel Sylt Zentralblatt der Bauverwaltung, 1920, S. 378.
— Vergl. auch dieses Heft, S. 34.
2 ) Die Beobachtungen bei Ostwind fanden bei mittlerer Tide statt.
3 ) Vergl. Eich, a. a. O. S. 378 u. H. Krey, Der Verlauf von Tide- und Sturmflutwellen usw., Zentralblatt d. Bauver
waltung 1921, S. 94.