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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 1923. Nr. 2.
Auf der Station des „Poseidon“ (55°3' N. 7°45' 0) tritt der Ebb- und auch der Flutstrom annähernd
zur gleichen Zeit ein, wie bei Feuerschiff „Amrum-Bank“ nach der Vorausberechnung der Deutschen See
warte {Gezeitentafel für 1924, S. 79). Der mittlere Zeitabstand Eintritt des Ebbstromes bei „Poseidon“
— Hochwasser Wittdün ist annähernd gleich dem von H. Thorade angegebenen mittleren Hoehwasser-
zeitunterschied „Poseidon“—Wittdün (vergl. die Karte, Abb. 2, Tafel 5). Das Hochwasser würde etwa
10 Minuten nach dem Kentern zum Ebbstrom eintreten; praktisch würde man die beiden Zeitpunkte
als zusammenfallend ansehen können.
Jedoch ist über die Eintrittszeit von Hochwasser und Ebbstrom, Niedrigwasser und Flutstrom auf
der Station des „Poseidon“ noch folgendes zu bemerken: Die eben verglichenen Zeitangaben sind
Mittelzahlen (die Karte von H. Thorade ist zudem auf Grund allen erreichbaren Materials aufgestellt.)
Beim Vergleich der einzelnen von H. Thorade für „Poseidon“ ermittelten Hochwasserzeiten mit den zuge
hörigen Eintrittszeiten des Ebbstromes liegt in drei von fünf Fällen, die Kenterzeit erheblich vor der
Hochwasserzeit (40 Minuten bis 1 Stunde 25 Minuten). Der Flutstrom setzt gleichfalls in den sieben
Einzelfällen stets vor Niedrig wasser ein (%bis 1% Stunden vorher!). Es würde sich also der jedenfalls nicht
gewöhnliche Zustand ergeben, daß zur Zeit des Hochwassern Ebbstrom, zur Zeit des Niedrigwassers
Flutstrom läuft. Dasselbe Verhältnis ist in einer Reihe von Diagrammen ausgedrückt, die auf Beobach
tungen des Avisos „Falke“ im Sommer 1879 in naher Nachbarschaft der „Poseidon“-Station beruhen.
(Beobachtungspunkte: 54°49'.7 N, 8°0.5' 0 und 54°30' N, 7°59' O 1 ). Nach diesen Stromrosen würde der
Ebbstrom etwa I bis 1 y 2 Stunden vor Hochwasser, vereinzelt noch früher, der Flutstrom ebenfalls bis zu
2 Stunden vor Niedrigwasser einsetzen. Die Beobachtungen auf „Falke“ fanden im ganzen bei schwachen
bis mäßigen Winden statt; es ist jedoch nicht mehr nachzuprüfen, inwieweit die mit dem Ahneschen
Stromweiser gefundenen Richtungen durch Deviation gefälscht sind. Immerhin stimmen, namentlich bei der
zweiten Station, die Diagramme für alle Tiefen (von 0 bis 15 m) recht gut miteinander überein, so daß
man geneigt ist, sie wenigstens qualitativ als zutreffend anzusehen. Eine Nachprüfung dieses Befundes
vom Jahre 1879 und 1921 unter günstigen Beobachtungsbedingungen (sowohl meteorologischen wie instru-
mentellen) wäre jedenfalls erwünscht; unwahrscheinlich ist er nicht, da die Stationen in einem aus
geprägten Interferenzgebiet liegen. Es erscheint fraglich, ob die Bezeichnungen Ebb- und Fluistrom hier
ihren üblichen Sinn behalten und nicht besser durch die Richtungsbezeichnungen Nordwest- und Südost
strom ersetzt werden.
Für die beiden Außenstationen bei Sylt waren die Reihen zu kurz, um wahrscheinliche Kenterzeiten
daraus abzuleiten. Für die Stationen bei Tonne Lister Ley und in der Föhrer Ley konnten ebenfalls keine
Eintrittszeiten von Ebb- und Flutstrom ermittelt werden. Bei der ersten Station fällt es schwer, eine
zutreffende Kenterrichtung festzulegen, bei der zweiten ist es unmöglich, in den gefundenen Geschwindig
keiten (die Richtungen sind, wie oben mehrfach erwähnt, nicht verwendbar) einen Gang zu erkennen.
Auch die übrigen Zeitangaben können in Anbetracht der vielen störenden Momente natürlich nur als grobe
Näherungswerte gelten.
Nach Tabelle 2a setzt der Ebbstrom bei Tonne Hoyer Tief (im Norden) nur wenig später ein als bei
Niedrigwasserzeiten bei Helgoland wechselt etwa zwischen 55 und 100 Minuten. Immerhin ist diese halbmonatliche Un
gleichheit nur halb so groß wie die soeben besprochene. Um ihren Einfluß noch möglichst herabzumindern, wurden die
Kenterzeiten der Prielstationen nicht unmittelbar an Wittdün Hoch- und Niedrigwasser angeschlossen, sondern es wurden
zunächst die Unterschiede der Einzelkenterzeiten gegen die Zeiten der Extremwasserstände am nächsten benachbarten
Pegel gebildet, für den eine vollständige oder doch annähernd vollständige Beobachtungsreihe aus der Zeit vom 4. bis
18. August 1921 (also für eine Mondperiode) vorhanden ist. So wurden „Tonne Hoyer Tief“ und „Tonne Pander Tief“
auf den Pegel Wester Ley Nord, „Im Pander Tief“ auf Munkmarsch, „Hörnum Odde“ und „Tonne Nösse“ zunächst auf
den Pegel Hörnum bezogen. Die gefundenen mittleren Differenzen wurden alsdann zu den von H. Thorade berechneten
mittleren Hochwasser-Zeitunterschieden dieser drei Pegel gegen Wittdün addiert. So tritt z. B. bei Tonne Hoyer Tief
der Ebbstrom im Mittel 7 Minuten vor dem Hochwasser beim Pegel Wester Ley Nord ein; Wester Ley Nord hat
91 Minuten nach Wittdün Hochwasser, also setzt der Ebbstrom bei Tonne Hoyer Tief 84 Minuten nach Wittdün Hoch
wasser ein.
1 ) Siehe Annalen d. Hydrographie 1881, S. 347 ff. und Tafel zu Heft 7.