Die Umsetzung des UN-Seerechtsübereinkommens in
nationalen Anweisungen für die Seestreitkräfte
WOLFF HEINTSCHEL VON HEINEGG
Vorbemerkung
Wenn im folgenden die nationalen Anweisungen für die Seestreitkräfte daraufhin
untersucht werden sollen, ob und inwieweit sie das UN-Seerechtsübereinkommen
umsetzen, bedarf es zunächst einer Eingrenzung des Begriffs der Anweisungen.
Hier interessieren selbstverständlich nicht die zahlreichen dienstlichen Anweisun
gen, die tagtäglich an die Kommandanten oder an andere Stellen ausgegeben
werden. Es sind vielmehr solche, die unter Bezugnahme auf völkerrechtliche
Normen entweder in allgemeiner Form oder aber konkret, d.h. für bestimmte Ope
rationen, unter anderem auch den rechtlichen Rahmen für Maßnahmen der See
streitkräfte vorgeben. Anweisungen für konkrete Operationen, sog. "rules of enga
gement" * 1 können hier freilich keine Berücksichtigung finden, da sie klassifizierte
Informationen enthalten und daher allenfalls in extremen Ausnahmefällen zu
gänglich sind. 2 Muß sich die Untersuchung mithin auf die allgemeinen - oder
wenn man will: abstrakt-generellen - Anweisungen beschränken, so würde es
gleichwohl den zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen, wollte man diese in
ihrer Gesamtheit berücksichtigen. Daher sollen hier lediglich diejenigen allgemei
nen Anweisungen im Mittelpunkt stehen, die das im internationalen bewaffneten
Konflikt zur See anwendbare Völkerrecht zum Gegenstand haben. Man mag nun
Eingehend zu den „rules of engagement“ (ROE) D. Fleck, Rules of Engagement for Maritime
Forces and the Limitation of the Use of Force under the UN Charter, GYIL 31 (1988), 165-186;
I. A. Shearer, Rules of Engagement and the Implementation of the Law of Naval Warfare, Sy
racuse J.Intl.L.&Com. 14 (1988), 767-778. J.A. Roach (Rules of Engagement, Syracuse
J. Infl.L.&Com. 14 [1988], 865-878, 869) beschreibt deren Zweck wie folgt: ROE during armed
conflict do not limit military responses to defensive actions alone but do place limits, consi
stent with national objectives, strategy and the law of armed conflict, on the means and me
thods of warfare and will necessarily affect tactics. These include restrictions on certain we
apons and targets, and ensure the greatest possible protection for non-combatants consistent
with military necessity, proportionality and national policy. WROE are thus a useful tool to
ensure that force is used toward achieving the desired military objectives and political goal.“
Soweit bekannt, sind lediglich die ROE des Vietnam-Krieges für den Einsatz von Schiffsge
schützen der US-Marine gegen vietnamesische Landziele veröffentlicht worden. Vgl. Rules of
Engagement for the Employment of Firepower in the Republic of Vietnam, abgedruckt in: Sy
racuse J.Infl.L.&Com. 14 (1988), 810 ff. Dazu J.T. Emerson, Making War without Will: Viet
nam Rules of Engagement, in: J.N. Moore (ed.), The Vietnam Debate, 1990, S. 161-170.