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Wolff Heintschel von Heinegg
nach dem Nutzen dieses Ansatzes fragen und insbesondere darauf verweisen, im
internationalen bewaffneten Konflikt gelte allenfalls das Recht der Kampfhand
lungen sowie das humanitäre Völkerrecht, so daß das internationale öffentliche
Seerecht, das ja dem Friedensvölkerrecht zuzurechnen ist, ohne Bedeutung sei.
Ein Blick in die jüngsten militärischen Handbücher der Bundesrepublik
Deutschland 3 , Kanadas 4 und der Vereinigten Staaten von Amerika 5 sowie ver
gleichbare Anweisungen oder Entwürfe anderer Staaten 6 verdeutlicht indes, daß
das internationale Seerecht, insbesondere das UN-Seerechtsübereinkommen, von
den genannten Staaten auch während eines internationalen bewaffneten Konflikt
weitgehend als verbindlicher rechtlicher Rahmen für Seekriegsoperationen aner
kannt wird. 7 Dies erklärt sich bereits aus der Erkenntnis, daß in den Beziehun
gen der Kriegführenden zu den nicht am Konflikt beteiligten Staaten das Frie
densvölkerrecht - und damit auch das internationale Seerecht - grundsätzlich
weitergilt und durch das Neutralitätsrecht lediglich in Teilbereichen modifiziert
wird. 8
Das internationale Seerecht, wie es im UN-Seerechtsübereinkommen kodifiziert
ist, hat mithin auch während eines internationalen bewaffneten Konflikts erhebli
chen Einfluß auf die Rechtspflichten
(1) der Konfliktparteien in den von ihrer Souveränität umfaßten Seegebieten;
3 Bundesministerium der Verteidigung - Abteilung Verwaltung und Recht II 3, Humanitäres Völ
kerrecht in bewaffneten Konflikten - Handbuch, 1992 (im folgenden: ZDv 15/2).
4 Canadian Forces, Law of Armed Conflict Manual (Second Draft) (ohne Datumsangabe) (im fol
genden: Canadian Draft Manual).
US Department of the Navy, The Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations
(NWP 9), 1987 (im folgenden: NWP 9). Hingewiesen sei auch auf die kommentierte Fassung:
Annotated Supplement to the Commander’s Handbook on the Law of Naval Operations (NWP 9
[Rev. Aj/FMFM 1-10), 1989.
6 So das Handbuch der australischen Marine, ABR5179 - Manual of the Law of the Sea, 1983.
Das Vereinigte Königreich hat ebenfalls den Entwurf eines Handbuchs ausgearbeitet. Dieser
ist bislang noch nicht veröffentlicht worden. Nach Auskunft von Vertretern des britischen
Verteidigungsministeriums und der Royal Navy ähnelt der Entwurf weitgehend dem Hand
buch der US Marine.
7 Eingehend zur Bedeutung der militärischen Handbücher WM. Reisman/ W.K. Leitzau, Moving
, International Law from Theory to Practice: the Role of Military Manuals in Effectuating the
Law of Armed Conflict, in: H.B. Robertson Jr. (ed.), The Law of Naval Operations, 1991, S. 1-
18.
8 Dazu J. Hinz/E. Rauch, Kriegsvölkerrecht, 3. Aufl. 1984, Anm. 1 zum XIII. Haager Abkommen
(Zf. 1537); M. Bothe, Neutrality’ in Naval Warfare, in: A.J.M. Delissen/G.J. Tanja (eds.), Hu
manitarian Law of Armed Conflicts - Challenges Ahead. Essays in Honour of Frits Kalshoven,
1991, S. 387-405, 393; Ch. Greenwood, Self-Defence and the Conduct of International Armed
Conflict, in: Y. Dinstein (ed.), International Law at a Time of Perplexity. Essays in Honour of
Shabtai Rosenne, 1989, S. 273-288, 277; M. Donner, Die neutrale Handelsschiffahrt im be
grenzten militärischen Konflikt, 1993, S. 84 ff.; jew. m.w.N.