Risikobewertung für Mensch und Umwelt
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Gefahrenbewertung mit Wirkschwellen
Mineralöl wird hier Im Sinne der Anlage I des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeres
verschmutzung MARPOL verstanden. Diese Vorschrift regelt die Beförderung von Mineralöl In Schiffen und
schließt alle Mineralprodukte, die Rohstoffe oder Treibstoffe sind, ein Insbesondere: Rohöl (Crude), Naph
tha, Kerosin, Gasöl (Diesel), Benzin (Gasolin) und Aromatenextrakte.
Jedes Mineralölprodukt enthält eine komplexe Zusammensetzung bestimmter Stoffe. Üblicher Ansatz Ist die
Orientierung an den Hauptbestandteilen und eine Mischungsbetrachtung. Gefahrenbewertungen für die
wichtigsten Bestandteile von Mineralölen wurden für den marinen Bereich von der Joint Group of Experts
on the Scientific Aspects of Marine Environmental Protection, kurz GESAMP, einer Expertengruppe von
9 Unterorganisationen der Vereinten Nationen, erarbeitet. Als gefährliche Eigenschaften von Stoffen werden
betrachtet (GESAMP 2002):
• Biologische Anreicherung und biologischer Abbau
• Akute und chronische Toxizität (Fisch, Krebs, Alge)
• Akute Humantoxizität (oral, dermal, Inhal.), Reizung, Ätzung (Haut, Augen)
• Längerfristige Toxizität beim Menschen, v.a. krebserzeugende Wirkung, mutagene Wirkung,
Wirkung auf die Fortpflanzung
• Filmbildung auf dem Wasser (Floating)
Die Gefahrenbewertung durch GESAMP wird für die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO jährlich
veröffentlicht und In einem Gefahrenprofil dargestellt, In dem auch die Wirkschwellen für die Effekte abge
lesen werden können. GESAMP (2010) legte auch Bewertungen für die standardisierte Kraftfahrzeug-Treib
stoffe Benzin und Diesel vor. Die Identifikation von Stoffen, die auf dem Wasser aufschwlmmen (Floater)
erfolgt anhand Ihres Schmelzpunktes, Ihrer Dichte gegenüber Meerwasser, Ihrer Löslichkeit In Meerwasser
und Ihrem Dampfdruck. Für solche Stoffe, die länger aufschwlmmen (Persistent Floater) wird zusätzlich die
Viskosität berücksichtigt.
Expositionsbetrachtung beim Eintrag von Öl in die marine Umwelt
Für die Freisetzung von Öl In die marine Umwelt sind zwei Bereiche zu beachten: Ein Teil des Öls wird als
Floater auf der Wasseroberfläche aufschwlmmen, ein anderer Teil wird sich Im Wasser verdünnt verteilen.
Bel Havarien stehen In der Regel die aufschwimmenden Öllachen Im Vordergrund der Betrachtung. Für
Expositionsabschätzungen sind Modelle notwendig, die die Verteilung und den Drift von Öl auf dem Wasser
beschreiben. Solche Modelle wurden von vielen Instituten entwickelt, so auch vom BSH (Janssen 2010).
Ziel der Anwendung Im Rahmen einer Risikobewertung muss es sein, die Drift der von den wahrschein
lichen Havarieorten ausgehenden Ölverschmutzung zu berechnen und daraus Ölexpositionen der Küste
abzuschätzen.
Ein bisher schwer berechenbarer Faktor Ist die Verteilung einiger Bestandteile von Mineralöl Im Wasser. Hier
tritt nicht nur eine erhebliche Verdünnung auf, sondern auch ein biologischer Abbau und eine Verdampfung