Risikobewertung für Mensch und Umwelt
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Risikomanagement-Entscheidungen
Bisher bestand seitens der IMO kein Ansatz, die Vorschriften zur Sicherheit von Öltankern von Risikobe
wertungen abzuleiten. Die Bestimmung der Beförderungsanforderungen erfolgte unter MARPOL sowohl
für Öltanker als auch für öhemlkalientanker aufgrund von Gefahrenbewertungen - bisher nicht aufgrund
von Risikobewertungen. Die Geschichte des MARPOL-Abkommens zeigt den evolutionären Gharakter des
Regelwerks (Hofer & Mez 2001). Insbesondere Tankerunfälle führten zu Verschärfungen der Standards. Sie
standen jedoch meist nicht im sachlichen Zusammenhang mit der Unfallursache. So wurden nach einer
Strandung eines Öltankers die Grenzen für Routineabgaben herabgesetzt. Nach einem Untergang auf freier
See wurden Einhüllenschiffe im Einsatz beschränkt.
Jahr
Tankschiff
Daraus entwickelte Vorschrift
1967
Torrey Canyon
Kompensationssystem und MARPOL 73, aber keine direkten Folgen
für Tankerdesign
1969
Marpessa, Mactra,
Kong Haakon VII
Inertisierung von Tanks; unter MARPOL erst ab 1985 verpflichtend
1978
Amoco Cadiz
MARPOL 73/78; Einleitung von öligem Ballastwasser geregelt;
getrennte Ballasttanks verlangt
1983
Castillo de Bellver
Keine regulativen Folgen
1989
Exxon Valdez
US Oil Pollution Act (OPA); Einführung der Doppelhülle
1999
Erika
Stärkung der Hafenstaatkontrolle; schnellere Einführung der Doppelhülle
2002
Prestige
Noch schnellere Einführung der Doppelhülle
Die IMO musste nach Ölhavarlen Immer wieder solche neuen technischen Vorschriften nachreichen, um
durch Verschärfungen der Anforderungen weitere Ölverschmutzungen unwahrscheinlicher zu machen.
Letztendlich bestand eine Einschätzung, dass auf diese Art gewachsene Vorschriften nicht sinnvoll oder
richtig sein müssen.
Die formale Sicherheitsbewertung der IMO
Diesem Risikomanagement sollte der systematische Ansatz eines Formal Safety Assessment (FSA)
entgegengesetzt werden. Die Beschlüsse zum Risikomanagement sollten rationaler erfolgen und von tech
nischen, nicht von politischen Überlegungen abgeleitet werden. Das FSA Ist ein rationaler und systemati
scher Prozess zur Bewertung von Risiken, die mit der Schifffahrt verbunden sind und zur Bewertung von
Kosten und Vorteilen der Risikominderungsmaßnahmen. Sie ist die bestimmende wissenschaftliche Metho
de, die derzeit angewendet wird für die Analyse der Umweltverschmutzung durch Schiffe und die Formulie
rung entsprechender Regelungsstrategien (IMO 2010).
Es handelt sich Im Kern um ein System der Risikobewertung mit einem Integrierten Entscheidungsmodul für
Entscheidungen zum Risikomanagement, in der Sprache der IMO den sogenannten Risk Gontrol Options
(RGO). Das FSA stellt ein Risikobewertungskonzept dar, dass im Rahmen einer ausgefeilten Methodologie