376 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1942.
Ende des vorigen Jahrhunderts wurden die Ortungsmethoden von Sumner
und Marq St. Hilaire allgemein eingeführt, während sie von einigen Lehrern
schon früher im Unterricht besprochen wurden. Die Astronomen wandten diese
Methoden bereits im 18. Jahrhundert an. Die dabei aufzulösenden Differential-
formeln löst der Seefahrer durch Zeichnung in der Seekarte, da ihm die Fehler-
gleichungen geometrisch entwickelt werden, Ein Musterbeispiel liefert F. Conrad
in seiner Inaugural-Dissertation, Berlin 1933, worin er den Schiffsort aus 550 Ge-
stirnshöhen ermittelte. Bei der sogenannten „Tangentenmethode“ muß dabei
das Zeitazimut berechnet werden, da die Entnahme des Azimuts aus den Tafeln
beschwerlich ist und oft ungenau ausfällt. Die Nautischen Tafeln bringen zur
Erleichterung der Rechnung die bekannten ABC-Tafeln, die in großer Ausführ-
lichkeit Lecky in seine Utility Tables aufgenommen hat. In der Sehnenmethode
von Sumner tritt das Azimut nicht direkt auf, es ist in der gezeichneten Stand-
linie enthalten.
Im Kriege 1914/18 hatten sich die Funkpeilungen als ein gutes Mittel zur
Ortung bewährt, Sie sind Ortungen aus astronomischen Beobachtungen über-
legen, da sie auch bei unsichtigem Wetter tags und nachts angestellt werden
können. Sowohl bei Fremd- als bei Eigenpeilungen muß das Azimut in die See-
karte eingezeichnet werden. Bei der Fremdpeilung ist die Standlinie ein
Großkreis durch das Funkfeuer, der in die Seekarte nur punktweise eingetragen
werden kann, da man über den Schiffsort keine Näherung kennt. Hier ist also
die Sehnenmethode am geeignetsten. Bei der Eigenpeilung geht man von
einem gegißten Schiffsort (entweder @ oder Äi) aus und ermittelt den Leitpunkt
der Standlinie, d. i. der Schnitt der Azimutgleiche mit dem Meridian oder dem
Breitenkreise, Die Standlinie zieht man entweder nach der Tangenten- oder nach
der Sehnenmethode. Das Azimut tritt hier als gegebene Größe im nautisch-
astronomischen Grunddreieck auf. Die Azimuttafeln in der vorher angegebenen
Form sind zu diesen Ortungen wenig geeignet. Ich mußte ihnen zur bequemen
Benutzung eine andere Form geben, in der das Azimut als Argument erscheint,
[ch wählte 15 der großen Funkfeuer in Europa und dem östlichen Nordamerika
aus und tabulierte in meinen Tafeln zur Funkortung, Berlin 1925, mit dem senk-
rechten Eingang a in 1°-Intervall und je nach Bedarf mit dem waagerechten
Eingang # das zugehörige 4) auf 1’ genau oder mit dem Eingang 4% in 2°- bzw.
1°-Stufen die zugehörige Breite. In der Neuausgabe wird durchweg statt des
Längenunterschiedes die geographische Länge in }- und 1°-Stufen gewählt und
die Azimutstufe auf 0.1° verengert werden, wodurch lästiges Einschalten ver-
mieden wird und in i Additionsfehler durch fehlerhaftes Anbringen von 4% aus-
geschaltet werden.
2. Azimutmeßkarten nenne ich Diagramme, in denen Linien gezogen oder
mit einem Winkelmesser Winkel gemessen werden müssen, um das Azimut zu
erhalten, Die erste derartige Meßkarte scheint 1890 Capt. Weir konstruiert zu
haben. Die Weirsche Karte ist von den Seefahrern abgelehnt worden, in den
neueren Lehrbüchern wird sie nicht einmal erwähnt. Ihr Netz besteht aus
p-Ellipsen und A4-Hyperbeln, Die mathematische Begründung dazu gab G, Merritt
Reeves in einem Sonderdruck, der an die Karte geklebt war. Das Netz ist eine
Darstellung des Kotangentensatzes der sphärischen Trigonometrie. Reeves nennt
sie „das Ei des Columbus“. Maurer hat die Ableitung in Ann. d, Hydr. 1905
selbständig entwickelt und gefunden, daB das Netz bereits von Littrow in seiner
Chorographie als winkeltreue Kartenprojektion angeführt wurde; 1910 fand ich,
daß die Großkreise durch = 0°, 1=90° des Weirschen Netzes als Kreise ab-
gebildet würden. E. Hammer schrieb mir auf meine Anfrage hin, daß das
Weirsche Netz ein Sonderfall der Lambertschen winkeltreuen Kreisnetze wäre.
Sowohl die brit. Adm-Krt. als auch die deutsche Adm-Krt. Nr. 1982 haben in
das Netz von Weir diese Kreise eingezeichnet, die zur Ermittlung der Auf-
gangszeit eines Gestirns dienen [auch Schütte hat diese Horizontkurven in sein
Diagramm aufgenommen]. Die Meßkarte ist daher mit Recht „nach Lambert-
Littrow“ bezeichnet (s. Wedemeyer, Das Kartennetz von Lambert-Littrow
usw., Ann. d. Hydr. 1918, S. 209). G. Prüfer konnte (Ann. d. Hydr. 1941, S. 334)