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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 61. Band Nr. 8
Um die Zahlenwerte der Tidenargumente für eine beliebige Zeit schnell verfügbar zu haben, werden
Tafeln berechnet, die diese Werte für den Meridian von Greenwich und № 0 m MGZ. 24 ) bestimmter Tage,
z. B. für den 1. Januar jedes Jahres, den ersten Tag jedes Monats, oder auch jedes einzelnen Tages enthalten.
Es wird also der in (19 a) in der Klammer stehende Ausdruck berechnet, indem t — 0 und für T in (4) und
(11) der zu dem betreffenden Tagesanfang gehörige Wert gesetzt wird. Die erhaltenen Tafelwerte werden als
astronomische Argumente V Q der einzelnen Tiden bezeichnet. Das Argument einer Tide mit der Winkel
geschwindigkeit i zu einer Zeit, die t Stunden später liegt als die zu dem Tafelwert V 0 gehörige Zeit, ist
dann einfach gleich V 0 + i-t.
Aus den V„, die für 0 h MGZ. und den Meridian von Greenwich gelten, lassen sich auch die astrono
mischen Argumente Vj für einen Ort, der L Grad westlich von Greenwich liegt und an dem als gesetzliche
Zeit die mittlere Sonnenzeit des Meridians mit der Länge S Grad westlich von Greenwich eingeführt ist, für
0 h dieser Zeit mittels der Beziehung
V; = V o + YgO “ 15P) + ¿(S-L)
= V 0 -pL + ¿S
ableiten 25 ); p bezeichnet dabei den sog. Index der Tide, der gleich der ersten Ziffer A ihrer Argument- oder
Tidenzahl ist. Diese Umrechnung der astronomischen Argumente ist notwendig, wenn etwa untersucht wer
den soll, welche Phasenunterschiede die einzelnen erzwungenen harmonischen Schwingungen des Meeres, aus
denen sich die Gezeiten zusammensetzen, gegenüber den entsprechenden Tiden des am Ort wirksamen gezeiten
erzeugenden Potentials aufweisen. Wird hierbei die mittlere Sonnenzeit des Beobachtungsorts benutzt, also
S L gesetzt, so werden diese Phasenunterschiede üblicherweise mit z bezeichnet. Sobald es sich jedoch um
Gezeitenvorausberechnungen handelt, ist es zweckmäßiger, die beobachteten Phasenunterschiede auf die V„
von Greenwich zu beziehen und einmalig um die Beträge — pL -f S zu verbessern; diese verbesserten
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Phasenunterschiede, die üblicherweise mit g oder in der bequemeren Form (360 0 — g) mit P bezeichnet
werden, brauchen dann nur zu den astronomischen Argumenten V 0 für den Meridian von Greenwich hinzu
gefügt und diese Summen um i • t n vermehrt zu werden, um die Argumente der erzwungenen Schwingungen
für eine beliebige Zeit t n (t> 0 jetzt in gesetzlicher Zeit am Ort!) zu erhalten.
Es wurde bereits erwähnt, daß Doodsons Entwicklung des gezeitenerzeugenden Potentials fast 400
Tiden umfaßt; sie ist damit zu umfangreich, um in voller Ausführlichkeit bei Gezeitenvorausberechnungen in
der eben geschilderten Weise angesetzt werden zu können, besonders da in flacherem Wasser zahlreiche sog.
Seichtwassertiden (Ober- und die von Helmholtz zuerst in der Akustik theoretisch untersuchten Ver
bundschwingungen) zusätzlich auftreten und z. T. von größerer Bedeutung als viele Grundtiden des Poten
tials sein können 26 ). Die Möglichkeit zu einer Vereinfachung ist dadurch gegeben, daß in der Entwicklung
des Potentials etwa 30—40 Tiden mit meistens verhältnismäßig großen Koeffizienten auftreten, deren Argu
mente unabhängig von der Länge des Mondbahnknotens N sind und für die Rauschelbach den Namen
Stammtiden eingeführt hat, während der größte Teil der übrigen Tiden bei verhältnismäßig kleinen Koeffi
zienten sich im Argument von den Stammtiden nur in den Faktoren der drei langsam veränderlichen Größen
p ¡j, N ' und pQ, also nur in den letzten drei Ziffern der D o o d s o n sehen Argumentzahlen und Rau
schelbach sehen Tidenzahlen unterscheidet. Für nicht allzu lange Zeiträume, z. B. noch ein Jahr, können
daher eine Stammtide und die zugehörigen „verwandten“ Tiden zu einer einzigen Tide mit der Winkel
geschwindigkeit der Stammtide, aber einem um einen bestimmten Betrag u veränderten astronomischen Argu
ment und einem mit einem bestimmten Faktor f vervielfältigten Koeffizienten der Stammtide zusammen
gefaßt werden. Die Verbesserung u und der Faktor f müssen dann z. B. von Jahr zu Jahr neu berechnet
werden, und zwar auf folgende Weise:
Seien Ki ■ Gi • cos (V 0 i + i • t) die Stammtide mit dem Koeffizienten Ki und der geodätischen Funktion
Gi, K2 ■ G 2 • cos (V02 + i • t) usw. die verwandten Tiden, deren Winkelgeschwindigkeiten in erster Näherung
gleich der der Stammtide angenommen werden. Die Argumentunterschiede V02 — V 0 i - «2 usw. sind dann nach
der D o o d s o n sehen Entwicklung bekannt und als Summen und Differenzen ganzzahliger Vielfacher von
p e , N' und p0 auszudrücken. Uber die Amplitudenverhältnisse (K2 • G2) : (Ki • Gi) = r2 usw. ist zunächst