Haarnagel: Eine landschaftskundliche Untersuchung des Elbufers zwischen Glückstadt und Kollmar
mehr eine andere Moorart scharf von dem Darg zu unterscheiden. Wir wollen diese „Schilfmoor" nennen.
Sie unterscheidet sich in ihrer Entstehung deutlich von der des Dargs.
Folgende Untersuchungen veranlaßten mich, die Unterscheidung vorzunehmen. Bei dem Darg stellte
ich fest:
1. Er besteht aus Resten von Rethwurzelstöcken, aus Blättern des Rohrkolbens und aus Holz
resten.
2. Er liegt auf grauem Klei, der weder von Rethwurzeln noch von Baumwurzelresten durchsetzt ist.
3. Er zieht sich nicht am ganzen Ufer entlang, sondern kommt nur in bestimmten Gebieten des
Abbruchvorlandwatts vor.
4. Er wird schichtenförmig durch die Elbe abgebrochen; an seiner Abbruchkante läßt sich Schich
tung feststellen.
5. Er liegt verschieden hoch zu N. N. und ist meist durch eine Kleischicht von der tief erliegenden
Schilfmoorschicht getrennt:
Bei dem Schilfmoor beobachtete ich:
1. Es besteht aus einer dichten Lage von Rethwurzelstöcken. Diese ist meist von einer dunklen
Schicht völlig zersetzten Moores oder sogar von Bruchwaldmoor überdeckt. Wenn Holzreste
vorhanden sind, kann man stets die Baumwurzeln nachweisen und z. T. noch die Blätter dieser
Bäume.
2. Es liegt auf grauem Klei, der von Rethwurzeln und Rethwurzelstöcken durchsetzt ist.
3. Es läßt sich mit einigen Unterbrechungen am ganzen Ufer verfolgen.
4. Seine Höhenlage zu N. N. ist mit geringen Abweichungen immer dieselbe.
5. Es liegt tiefer im Watt als der Darg und zwar unmittelbar an der Mittelniedrigwassergrenze.
Aus den ersten fünf Beobachtungen ließe sich die Folgerung ziehen, daß es sich hier um Dargschichten
handelt, die wahrscheinlich von angeschwemmtem Deeken gebildet wurden; denn die Beobachtungen 1, 2
und 4 lassen vermuten, daß wir es mit einem Geschwemme zu tun haben. Beobachtung 3 bestärkt diese Ver
mutung, indem man rückschließend feststellen kann, daß sich der Darg nur dort bilden konnte, wo sich das
Geschwemme in größeren Mengen ablagerte. Beobachtung 2 zeigt, daß die vorhandenen Wurzelreste nicht
hier gewachsen sind. Die Schichtung im Darg weist ebenfalls auf ein Geschwemme hin. Die verschiedene
Höhenlage zu N. N. zeigt, daß die Ablagerungen in verschiedenen Zeiträumen erfolgt sind.
Die Bildung des Dargs kann man sich nach diesen Beobachtungen folgendermaßen vorstellen:
Der Deeken wurde im Frühjahr an Böschungen oder in Buchten, durch die er entweder im Flut- oder
Ebbschatten lag, in großen Mengen abgelagert. Da er von den Menschen nicht entfernt wurde, verfestigte
er sich schon nach einigen Wochen so, daß spätere Hochfluten ihn nicht mehr hinwegführen konnten. Diese
aber lagerten Schlickschichten über Schlickschichten auf ihm ab.
Die Bilder 29 und 30 geben ein Beispiel von den großen Deekenmengen, die noch jetzt in den Frühjahrs
und Herbststürmen an geschützten Stellen abgelagert werden. Zu einer Dargbildung kommt es jetzt aber
nicht mehr, weil der Deeken von den Menschen entfernt wird. Dies geschieht durch Verbrennen des Deekens,
nachdem er getrocknet ist. Ehe man ihn anzündet, bringt man ihn an die Ränder der Gräben, damit die
Grasnarbe nicht durch das Feuer vernichtet wird. (Siehe Bild 29 u. 30.)
Die letzten fünf Beobachtungen weisen darauf hin, daß das Moor nicht durch ein Geschwemme, sondern
durch Pflanzenwuchs gebildet wurde. Dies zeigen Beobachtungen 1 und 2 sehr deutlich. Der unter dem
Moor liegende Klei enthält die Wurzeln des über ihm gewachsenen Moores. Die im Moor gefundenen Baum
reste sind in der Schilfmoorschicht verwurzelt, was ebenfalls auf einen ständigen Pflanzenwuchs hinweist.
Das Vorhandensein der Moorschicht am ganzen Abbruchufer entlang und ihre gleiche Höhenlage zeigen,
daß an dieser Stelle ehemals ein Schilfmoorgebiet mit vereinzeltem Baumwuchs gelegen haben muß.
Aus dem Aufbau der Schilfmoorschicht kann man den Bildungsprozeß derselben ablesen: Aus einem
Kleiwatt mit dichtem Schilfwuchs entwickelt sich ein Schilfmoor. Auf dieses folgt an einigen Stellen Bruch
waldmoor. Die Entwicklung des Bruchwaldmoores konnte aber nur dadurch Zustandekommen, daß das
Moor in der Periode seiner Entwicklung aus dem Bereich der Sturmfluten der Elbe geriet.
Die im Watt durch den Abbruch freigelegte Schilfmoorschicht wird danach nichts anderes sein als eine
der von Schütte angeführten Marschmoorschichten (siehe Schütte: Krustenbewegungen an der deutschen
Nordseeküste. Stuttgart, 1927). Hier hat Schütte nachgewiesen, daß die Entstehung eines solchen Moores
nur durch eine Hebung der Marsch über den Sturmflutbereich möglich ist. Der Beweis der Hebung ist an
den Nordseemooren sehr gut durchzuführen, da man im Moorprofil die Aufeinanderfolge von Salzwasser-,
Brackwasser- und Süß Wasserpflanzen erkennen kann.