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Full text: 53, 1934/35

Haarnagel: Eine landschaftskundliche Untersuchung des Elbufers zwischen Glückstadt und Kollmar 
Es sollen noch einmal kurz die Kräfte zusammengefaßt werden, die für den Abbruch verantwortlich 
zu machen sind. Diese sind: 
Im Sommer: 
1. Die Nord- und Nordwestwinde. Sie bringen die Hochfluten mit sich und erzeugen die mäch 
tigsten Wellen. 
2. Der reißende Flut- und Ebbstrom. 
3. Die Dampferwellen, die eine ganz erhebliche Wirkung haben können. 
4. Die Trockenheit, indem sie das Ufer auflockert. 
Im Winter: 
1. Die Eismassen, die durch die Strömung am Ufer auf- und abgeschoben werden. 
2. Der Frost, indem er das Ufer auflockert. 
Im Frühling: 
1. Das Tauwetter, das den Frost aus dem Boden entfernt und diesem so den letzten Halt nimmt. 
2. Die abgerollten Eisstücke, die durch die Brandung gegen das Ufer geschleudert werden. 
Durch den soeben festgestellten Abbruch wurden alte Kulturschichten freigelegt. Man findet im Ab 
bruchswatt „Ackerfurchen, Gräben, Baumstümpfe und Wagenspuren“. (Siehe Bild 25, 26, 27 u. 28.) Die 
Ackerfurchen und Gräben stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die Wagenspuren und Baumstümpfe 
dagegen aus dem 8. und 9. Jahrhundert. Der Fund gibt einen wichtigen Aufschluß über die säkulare 
Senkung des Gebiets 1 ) und liefert zugleich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Siedlungsgeschichte 
der Marschen. Wichtig für diese Arbeit ist nur die Feststellung, daß das Land früher viel weiter in die Elbe 
gereicht hat. Kleine Siedlungen und Ortschaften, wie Asfleth um 1400, sind durch den Abbruch von der 
Elbe verschlungen worden. Die Bauern, die noch vor 50 Jahren zwei Hektar Außendeichsland besaßen, 
haben hier heute kaum noch einen Hektar Land. Die Größe des Abbruchs wechselt in den einzelnen Jahr 
zehnten 2 ). Wir befinden uns jetzt wieder in einer Zeit, wo der Abbruch einen größeren Umfang angenommen 
hat. 
2. Das Watt. 
Das Abbruchsvorlandwatt ist viel schmaler als das Stillstandsvorlandwatt. Es zerfällt in zwei ver 
schiedene Formen, in ein Watt mit Pflanzenwuchs und in ein festes Kleiwatt. Das bewachsene Watt liegt 
höher und fällt mit einer Stufe von 30—40 cm Höhe (Gezeitenterrasse) zum Kleiwatt ab. Auf dem be 
wachsenen Watt finden wir die niedrige Binse, die hohe Simse und zuweilen auch Reth. An einigen Stellen 
liegt über dem Kleiwatt eine Dargschicht (Erklärung weiter unten). Sie bildet meistens die Vorstufe für das 
bewachsene Watt. Dort wo Dargschichten die Stufe bilden, liegt das bewachsene Watt besonders hoch. 
Der Darg leistet dem andrängenden Wasser einen starken Widerstand. Aus diesem Grunde hat das da 
hinterliegende Watt mehr Schutz. Es liegt an der Landseite so hoch, daß das mittlere Hochwasser es nicht 
mehr überschwemmt. An diesen Stellen hat sich eine Grasdecke entwickelt. Das Abbruchsufer erfährt hier 
also nur einen zeitweisen Angriff, nämlich bei Sturmfluten. Die Stelle, wo das Gras aufhört und die Binse 
beginnt, bildet eine scharfe Grenze. Sie zeigt die Mittelhochwasserlinie an und liegt 1,40 m über N. N. Dort 
wo die Dargschichten das bewachsene Watt vor dem Andrängen des Wassers nicht schützen, liegt dieses 
tiefer und ist flacher. Das W T asser dringt hier bei jedem Hochwasser bis an das Ufer vor. Das Abbruchsufer 
ist daher hier höher und der Abbruch ein stärkerer. 
Das feste Kleiwatt liegt so tief unter Mittelhochwasser, daß sich auf ihm keine Vegetation entwickeln 
kann. Es fällt ziemlich steil zur Niedrigwasserlinie ab und ist so fest, daß man es ruhig betreten kann. 
Nur nach mehreren Tagen mit Ostwind ist es mit einer halbflüssigen Schlickschicht überzogen, die 
allerdings bei anhaltendem Ostwind eine Stärke von 10—20 cm erreichen kann. Dicht an der Niedrig 
wasserlinie wird das Watt mit einigen Unterbrechungen durch eine „Schilfmoorschicht“ (Erklärung weiter 
unten) gebildet. Diese ist bis zu 10 m breit und hat eine Mächtigkeit von 1,50 m. Unter ihr liegt wieder 
grauer Schlick. Das feste Kleiwatt ist an einigen Stellen von einer dünnen Sandschicht überdeckt. Hier ist 
der Boden nicht so glatt. An anderen Stellen muß man beim Begehen vorsichtig sein. 
Von den Oberflächenformen wollen wir wieder zuerst den Priel betrachten. Er tritt in diesem Gebiet 
gewöhnlich aus einem unverzweigten Bett in das Watt. Hier aber teilt er sich plötzlich in lauter kleine 
x ) Näheres in der Zeitschrift „Forschungen und Fortschritte“, Berlin, 10. Febr. 1934. 
2 ) Wahrscheinlich durch Stromverlegungen.
	        
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