Haarnagel: Eine landschaftskundliche Untersuchung des Elbufers zwischen Glückstadt und Kollmar
Weiter wäre noch festzustellen, daß an einigen Stellen am Ufer der Steinbelag fehlt. Hier erstreckt sich
das Vorland noch um einige Meter weiter in das Watt und bildet hier ein Rethabbruchsufer. Daraus kann
man schließen, daß das geschützte Vorland früher nichts anderes als ein Abbruchsvorland war, wie wir es
im vorigen Abschnitt behandelt haben. Dieses wurde erst zu einem geschützten Vorland, als der Deich in
Gefahr geriet. Weiter können wir schließen, daß der Staat tatsächlich erst dann Schutzmaßnahmen er
greift, wenn der Deich unmittelbar in Gefahr ist, vom Abbruch erfaßt zu werden. (Siehe Skizze 5).
II. Hauptteil.
Das Vorlandwatt.
Das Vorlandwatt zerfällt in drei Landschaftsteile: in das Stillstandsvorlandwatt, in das Abbruchs
vorlandwatt und in das geschützte Vorlandwatt. Schon aus der Namengebung wird man erkennen können,
daß das Stillstandsvorlandwatt dem Stillstandsvorland, das Abbruchsvorlandwatt dem Abbruchsvorland
und das geschützte Vorlandwatt dem geschützten Vorland vorgelagert sind.
a) Das Stillstandsvorlandwatt.
Das Stillstandsvorlandwatt ist im Norden von den Glückstädter Hafenanlagen, im Osten von dem
Stillstandsvorland, im Süden von dem Abbruchsvorlandwatt und im Westen von der Niedrigwasserlinie
der Elbe begrenzt. Es ist, wie schon der Name
sagt, ein Watt, bei dem weder ein Abbruch
noch eine Anschwemmung erfolgt.
Es zerfällt in drei Teilformen, nämlich in
den Rethsaum, in einen Binsenstreifen und in
das schlickige Watt. Der Übergang zu den ein
zelnen Watteilen vollzieht sich allmählich. Eine
Böschung ist am Ufer nicht ausgebildet worden.
(Siehe Abbildung.)
Die Reihenfolge ist durch die Höhenlage
der einzelnen Teile zum Hochwasserspiegel be
stimmt. Das Reth gedeiht nämlich nur auf
einem Boden, der höchstens 60—70 cm unter
dem mittleren Hochwasserspiegel liegt (durch
Nivellierung festgestellt). Die Binse gedeiht
hier noch auf einem Boden, der 1,20—1,30 m
unter Mittelhochwasser liegt. Schließlich hört auch ihr Wuchs auf, und nun beginnt das unbewachsene,
schlickige Watt.
Der Rethsaum zieht sich am ganzen Ufer entlang. Er hat durchschnittlich eine Breite von 80—100 m.
Die letzten 40 m am Rande des Vorlandes werden nur noch sehr selten vom Wasser erreicht. Hier ist daher
der Boden trocken und leicht zu beschreiten. Der andere Teil des Rethsaums dagegen wird bei jeder Tide
überschwemmt. Der Boden ist daher schlammig. Man kann hier nur mit langen Stiefeln hingelangen. Das
Reth erreicht eine ziemliche Höhe. Es gibt Rethhalme, die zwei Meter hoch werden. Zwischen dem Reth
findet man auch hin und wieder kleine Ansiedlungen von Rohrkolben (Typha). Auch die hohe Simse hat
sich in einzelnen Exemplaren zwischen den Rethhalmen einen Standort gesucht. Wenn man in den Reth
saum eindringt, ist man von der Außenwelt abgeschlossen. Das Reth steht so hoch, daß man von dem Vor
land und dem Deich nichts mehr sehen kann.
Das Reth wird im Winter geschnitten. Man erwartet den ersten Frost, weil dann der schlickige Boden
gefroren ist, und es sich auf ihm leichter arbeiten läßt. Das geschnittene Reth wird in Garben gebunden und
dann an Rethfabriken versandt. Diese stellen aus den Rethhalmen ein Geflecht her, das beim Anlegen von
Zimmerdecken verwendet wird. Zuweilen wird auch Reth an die Bauern abgegeben, die es zum Decken und
Ausbessern der Rethdächer gebrauchen.
Der Binsenstreifen zieht sich in einem bald schmalen, bald breiten Streifen am Rethsaum entlang.
Seine durchschnittliche Breite beträgt 8 m. Er besteht zur Hauptsache aus der niedrigen Binse (Juncus