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Full text: 125 Jahre amtliche deutsche Hydrographie 1861 - 1986

Der Krieg 1870/71 unterbrach die hydrographischen und kartographischen Ar- 
beiten, so daß erst 1882 die notwendigsten 44 deutschen Seekarten der deutschen 
Küste der Nordsee, der Ostsee (einschl. Sund und Belte) und eine kleinmaßstäbige 
Karte des englischen Kanals vorlagen. Angesichts der Qualität der Karten und aus 
der Erkenntnis, daß ein räumlich so eingeengtes Seekartenwerk die Bedürfnisse der 
deutschen Schiffahrt nicht befriedigen konnte, bewilligte der Reichstag 1902 die 
damals enorme Summe von 2,0 Mio. Mark für die folgenden 10 Jahre. Ziel war ein 
weltweites deutsches Seekartenwerk mit etwa 2400 Karten. Zu Beginn des ersten 
Weltkrieges lagen davon 508 Seekarten vor. 
Der Ausgang des ersten Weltkrieges brachte für die deutsche Hydrographie 
einen schmerzlichen Rückschlag. Hier wirkte sich besonders verhängnisvoll aus, daß 
die Hydrographie zur Marine gehörte. Viele Karten mußten, da sie mit dem noch 
vorhandenen geringen Personal bei kargen Mitteln nicht fortgeführt werden konnten, 
eingezogen werden. Nur langsam erholte sich die deutsche amtliche Hydrographie 
wieder. Bei Ende des Zweiten Weltkrieges lagen etwa 1050 Seekarten und 51 See- 
handbücher vor. 
Die Folgen der Kapitulation im Jahre 1945 waren für die deutsche amtliche 
Hydrographie noch schwerwiegender als beim Ende des Ersten Weltkrieges. 1943 
war das Seekartenwerk aus Berlin nach Kaufbeuren im Allgäu verlegt worden. Noch 
Anfang April 1945 hatte es den Befehl erhalten, die Bearbeitung und den Druck der 
Nordsee- und der Ostseekarten nach Hamburg zu verlagern. Zwei Versuche, sich 
nach dem Norden durchzuschlagen, blieben erfolglos. So endete das Kriegstagebuch 
mit der Eintragung „27.4.1945 Besetzung der Stadt Kaufbeuren durch USA-Trup- 
pen.“ 
Welche Bedeutung Seevermessung, Seekarten und nautischen Veröffentlichun- 
gen zukommt, erkennt man daran, daß bereits im Mai 1945 die Vermessung wieder 
fortgeführt wurde. Auch das nach Kaufbeuren im Allgäu verlegte Seekartenwerk 
nahm Ende Juni 1945 dort seine Tätigkeit unter Aufsicht eines US-amerikanischen 
und eines britischen Marineoffiziers als „German Naval Chart Establishment“ wieder 
auf. Im Oktober 1945 erschien die erste Nummer der „Nachrichten für Seefahrer“. 
Der neue Start der amtlichen deutschen Hydrographie war mit fast unüberwind- 
lich erscheinenden Schwierigkeiten belastet: Das Fachpersonal in Gefangenschaft, 
interniert oder ohne bekannte Anschrift in West- und Ostdeutschland verstreut, der 
Maschinenpark vernichtet, Dienst- und Arbeitsräume in dem stark zerstörten Ham- 
burg nicht vorhanden, Wohnraum für die Mitarbeiter nicht verfügbar. Ließen sich 
die dringend benötigten Fachkräfte außerhalb von Hamburg ausfindig machen, so 
erhielten sie keine Aufenthaltsgenehmigung oder höchstens eine „Aufenthaltsgeneh- 
migung ohne Inanspruchnahme von Wohnräumen“. Die Folge war, daß noch bis 
1949 Familien nicht zusammengeführt werden konnten. Die Mitarbeiter waren auf 
sinem Wohnschiff untergebracht, oder die Arbeitsräume mußten auch als Wohn- 
und Schlafräume dienen. 
In den ersten Jahren nach 1945 war das DHI auf 13 verschiedene Orte in der 
Stadt verstreut. Vor der Währungsreform erschwerten — wie es in damaligen Berich- 
ten zu lesen ist — immer wieder fehlendes Material, mangelnde oder nicht vorhan- 
dene Heizungsmöglichkeiten und die unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln 
die Arbeiten außerordentlich. Bezeichnend ist eine Eintragung im Tagebuch des 
Leiters der Kartographie vom 18. 09. 1947 „Kartoffelentladung für das Institut, alle 
verfügbaren Kräfte eingesetzt.“ und eine Bemerkung im Jahresbericht 1948 des DHI: 
„Im Laufe des Jahres 1948 hat der technische Wiederaufbau des Deut- 
schen Seekartenwerkes weitere wesentliche Fortschritte gemacht . . . 
Wenn dies alles auch länger als erhofft dauerte, so kann es doch heute 
als besonderer Glücksumstand bezeichnet werden, daß der Aufbau
	        
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