Zu den ursprünglichen Benutzern der deutschen Seekarten und -bücher — Ma-
rine und Handelsschiffahrt — ist in den letzten Jahrzehnten die Sportschiffahrt hinzu-
gekommen. Auch sie benötigt für die Planung ihrer Fahrten, für die Navigation und
damit auch für ihre und ihrer Mitverkehrsteilnehmer Sicherheit Karten. Die eigentli-
chen Navigationskarten sind wegen ihres großen Formats und wegen der dargestell-
ten Objektauswahl für die kleinen Sportboote i. allg. nicht geeignet. Das DHI gibt
daher seit 1981 besondere Karten für die Sportschiffahrt heraus, die gebietsweise in
sieben Atlanten zusammengestellt sind.
Alle bislang erwähnten Karten und Bücher sind seit jeher auf Papier oder, in
Ausnahmefällen, auf Folie gedruckt. Geändert hat sich im Laufe der Zeit die ange-
wandte Technik. Wurden die ersten Karten mit Hilfe der Lithographie erstellt, so
ging man später auf den Stich in Stein und in Kupfer über, Seit Mitte der fünfziger
Jahre dieses Jahrhunderts setzten sich transparente und maßstabsbeständige Folien
als Originalträger durch. Seit 1971 konnte ein numerisch gesteuerter Zeichentisch
eingesetzt, ab 1977 die interaktive Datenverarbeitung nutzbar gemacht werden.
In jüngster Zeit zeichnet sich eine Entwicklung ab, die gegenüber der jetzigen
(Papier-) Seekarte etwas grundsätzlich Neues darstellt: die sogenannte „Elektroni-
sche Seekarte“. Eine allgemein akzeptierte Formulierung zur Beschreibung des
neuen Mediums existiert noch nicht. Es besteht aber weitgehend Einigkeit darüber,
daß der Name „Elektronische Seekarte“ eine unzulängliche Bezeichnung ist und
leicht zu Mißverständnissen führen kann. Inzwischen versteht man darunter mehr als
eine Seekarte, nämlich ein System, das zusätzlich die Verarbeitung von Navigations-
daten im weitesten Sinne umfaßt. Dafür bürgert sich mehr und mehr die Bezeichnung
ECDIS ein als Kürzel für „Electronic Chart Display Systems“.
Mit allen gebräuchlichen Definitionen ist, trotz unterschiedlichen Wortlauts,
dasselbe gemeint: Die graphische Darstellung der Seekarte auf einem Bildschirm, bei
Bedarf ergänzt durch Text, zusammen mit allen erforderlichen Navigationshilfen,
insbesondere dem vom Navigationssystem des Schiffes ermittelten Schiffsort. ECDIS
wird zum ersten Mal die drei grundlegenden Informationsquellen für die sichere
Navigation eines Schiffes in einer einzigen Anzeige vereinigen: die Seekarte, den
Schiffsort und, zumindest wahlweise, das Radarbild.
Besondere Bedeutung kommt der Kartenfortführung zu, Bei der Papierkarte
liegt hier ein Schwachpunkt, da es wochenlang dauern kann, bis die gedruckten NfS
das Schiff erreichen. Da die digitalen Seekartendaten wie auch die ergänzenden
nautischen Textinformationen durch Datenfernübertragung laufend auf dem neue-
sten Stand gehalten werden sollen, ist die Darstellung jeder Karte auf dem Bildschirm
immer auch ihre aktuelle Version, die alle bekannten Anderungen enthält.
Es besteht, auch international, weitgehend Einigkeit darüber, daß bei sinnvoller
Anwendung der technischen Möglichkeiten die elektronische Karte die Seekarte der
Zukunft ist, welche die herkömmliche Papierkarte zumindest in Teilbereichen erset-
zen wird. Das DHI hat eine Konzeptstudie für ECDIS als Beitrag der Bundesrepublik
Deutschland für die Internationale Seeschiffahrts-Organisation (IMO) erarbeitet.
Außerdem wirkt es aktiv in der ECDIS-Arbeitsgruppe der IHO mit. Den Vorsitz
einer IMO-Arbeitsgruppe, welche die Belange der IMO und IHO zu harmonisieren
hat. soll der Präsident des DHI übernehmen.
Die herkömmlichen Seekarten werden durch ECDIS möglicherweise nicht völ-
lig, bestimmt aber nicht schlagartig, sondern nur allmählich ersetzt. Das heißt, daß
sie zumindest für einen längeren Zeitraum neben ECDIS bestehen bleiben. Ihre
Herstellung wird wirtschaftlicher als bisher sein, da die im Rahmen von ECDIS
erstellten bzw. durch Tausch erhaltenen Daten großenteils auch für die Papierkarten
verwendet werden können und somit die Einführung automatisierter Verfahren we-
sentlich erleichtern.