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Wolff Heintschel von Heinegg
Abgesehen von gewissen partiellen Beschränkungen 11 bestehen in diesen Seege
bieten mithin keine Verbote in bezug auf Seekriegsmaßnahmen. Hinzu kommt,
daß die Konfliktparteien in Abweichung von den in Friedenszeiten anwendbaren
Regeln des internationalen öffentlichen Seerechts 12 berechtigt sind, ihr Küsten
meer und - teilweise - ihre Archipelgewässer sowie den darüber befindlichen Luft
raum für die Schiff- und Luftfahrt anderer Staaten vollständig zu schließen. 13
Sieht man davon ab, daß die Bestimmung des so verstandenen allgemeinen See
kriegsgebietes nach Maßgabe der Vorschriften über die Breite des Küstenmeeres
oder über die Archipelgewässer erfolgt 14 , muß der Einfluß des UN-Seerechtsüber-
einkommens gering erscheinen. Ein anderes Bild ergibt sich indes in bezug auf
internationale Meerengen und Archipelgewässer der Konfliktparteien, sobald
Durchfahrts- und Überflugrechte der nicht am Konflikt beteiligten Staaten in Fra
ge stehen.
11 Beschränkungen des Waffeneinsatzes in diesen Seegebieten folgen aus dem Vertrag über das
Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvemiqhtungswaffen auf dem
Meeresboden und Meeresuntergrund vom 11. Februar 1971 (BGBl. 1972 II S. 325 ff.). Art. I
Abs. 2 wurde in der vorliegenden Form gefaßt, um zu verhindern, daß nicht vom Küstenmeer
umfaßte Seegebiete - etwa weil der Küstenstaat nicht die höchstzulässige Breite von 12 sm
beansprucht - von dem Verbot ausgenommen werden. Daraus folgt - jedenfalls für die Ver
tragsparteien - zugleich das Verbot der Anbringung von Massenvernichtungswaffen und der
anderen Einrichtungen im Küstenmeer eines anderen Staates. Indes ist zweifelhaft, ob dieses
Verbot auch seine Rechtswirkungen entfaltet, wenn während eines internationalen bewaffne
ten Konflikts zur See Massenvernichtungswaffen und die von dem Verbot erfaßten Einrich
tungen im gegnerischen Küstenmeer eingebaut oder angebracht werden sollen.
12 Vgl. Art. 25 Abs. 3 und 52 Abs. 2 SRÜ 1982, wonach der Küsten- bzw. Archipelstaat nach
vorheriger Bekanntmachung in bestimmten Gebieten seines Küstenmeeres bzw. seiner Archi
pelgewässer die Ausübung des Rechts der friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe vorüberge
hend aussetzen [darf], sofern dies für den Schutz seiner Sicherheit unerläßlich ist. Hinsicht
lich der Sperrung des Luftraums durch eine Konfliktpartei war bereits in Art. 12 der Haager
Luftkriegsregeln vom 19. Februar 1923 (AJIL 17 [1923], Suppl., 245-260) bestimmt, daß "in
time of war any state, whether belligerent or neutral, may forbid or regulate the entrance, mo
vement or sojoum of aircraft within its jurisdiction." Hinzu kommt, daß das Recht auf friedli
che Durchfahrt im Küstenmeer nicht das Recht auf Überflug umfaßt; vgl. Art. 2 und 14 ff.
ÜKM 1958; Art. 17 ff. SRÜ 1982.
13 NWP 9, para. 8.2; Canadian Draft Manual, para. 703; ZDv 15/2, Nr. 1010. Vgl. ferner C.J.
Colombos (Fn. 9), § 558; J. Stone, Legal Controls of International Conflict, 1959, S. 571; E.
Rauch, The Protocol Additional to the Geneva Conventions for the Protection of Victims of In
ternational Armed Conflicts and the United Nations Convention on the Law of the Sea: Re
percussions on the Law of Naval Warfare, 1984, S. 31, 44. Zur Staatenpraxis während be
waffneter Konflikte zur See seit 1945 vgl. die Nachweise bei R. Ottmüller, Die Anwendung von
Seekriegsrecht in militärischen Konflikten seit 1945, 1978, S. 47 ff.; E. Beckert/G. Breuer, öf
fentliches Seerecht, 1991, Rdn. 1112 ff.
14 Vgl. die vorstehenden Nachweise.