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Wolff Heintschel von Heinegg
Stellt man allein darauf ab, daß das Küstenmeer der Konfliktparteien zum allge
meinen Seekriegsgebiet zu zählen ist, so ergeben sich in bezug auf die Zulässig
keit von Seekriegsmaßnahmen in Meerengen zunächst keine Besonderheiten. Da
her steht es außer Frage, daß in Meerengen kein Verbot des Angriffs auf gegneri
sche Kriegsschiffe sowie der Aufbringung gegnerischer wie auch neutraler Han
delsschiffe besteht, soweit diese Maßnahmen mit dem maritimen ius in bello im
Einklang stehen. 18 19 Darüber hinaus ist der Anliegerstaat selbstverständlich be
rechtigt, grundsätzlich allen gegnerischen Schiffen die Durchfahrt zu verwei
gern. 20 Umstritten ist demgegenüber angesichts der großen wirtschaftlichen Be
geographical situation as connecting two parts of the high seas and the fact of its being used
for international navigation"; ICJ Rep. 1949, 23.
18 Nicht zuletzt wegen der Ausnahmebestimmung des Art. 35 lit. c) SRÜ '1982 gehört der mit
"lange bestehenden und in Kraft befindlichen internationalen Übereinkünften" über die
Durchfahrt in bestimmten Meerengen zusammenhängende Fragenkreis zu den umstrittensten
Völkerrechtsfragen (vgl. allein E. Rauch, Protocol Additional [Fn. 13], S. 49 ff.). Soweit die ver
traglich gebundenen Anliegerstaaten Konfliktparteien sind, kann lediglich dem Abkommen
von Montreux vom 20. Juli 1936 eine eindeutige Regelung in bezug auf die Türkei entnommen
werden. Gemäß den Art. 1, 2, 4 und 5 genießen neutrale Handelsschiffe das Recht auf
Durchfahrt, solange sie in den Bosporus und die Dardanellen bei Tag einfahren, nicht den
Gegner unterstützen und sich an die seitens der türkischen Behörden bezeichneten Routen
halten. Demgegenüber enthält das Abkommen keine Beschränkungen der Türkei in bezug auf
die Durchfahrt von Kriegsschiffen. Vielmehr bestimmt Art. 20: "En temps de guerre, la Tur
quie étant belligérante, les dispositions des articles 10 à 18 ne seront pas applicables; le pas
sage des bâtiments de guerre sera entièrement laissé à la discretion du Gouvernement turc."
Daher gelangen die nachstehenden Grundsätze zur Anwendung. Vgl. auch E. Beckert/G.
Breuer (Fn. 13), Rdn. 329.
19 So auch E. Rauch, Protocol Additional (Fn. 13), S. 44; N. Ronzitti, The Crisis of the Traditional
Law Regulating International Armed Conflicts at Sea and the Need for its Revision, in: ders.
(ed.), Law of Naval Warfare (Fn. 10), S. 1-58, 20 ff., 23; ders., Passage through International
Straits in Time of International Armed Conflict, in: FS R. Ago Vol. II, S. 363-383, 375; M. Don
ner, Neutrale Handelsschiffahrt (Fn. 8), S. 143; R.R. Baxter, Passage of Ships Through Inter
national Waterways in Time of War, BYTL XXXI (1954), 189-216, 202; M. Bothe, Neutrality in
Naval Warfare (Anm 8), S. 403; W. Münch Die Régime internationaler Meerengen vor dem
Hintergrund der Dritten UN-Seerechtskonferenz, Berlin 1982, S. 44. Die gegenteilige Auffas
sung Harlows kann hier außer Betracht bleiben, da die Forderung nach einem entsprechen
den Verbot ausdrücklich de lege ferenda erhoben wird; B.A. Harlow, UNCLOS III and Conflict
Management in Straits, ODIL 15 (1985), 197-208, 206.
20 Während des israelisch-arabischen Konflikts erließ Ägypten im Jahre 1951 ein Verbot der
Durchfahrt gegnerischer Kriegsschiffe durch die Meerenge von Tiran. Gegnerische Handels
schiffe unterlagen der Aufbringung. Am 23. Mai 1967 erklärte Präsident Nasser die Straße von
Tiran für die israelische Schiffahrt gesperrt: "The Aqaba Gulf constitutes our Egyptian territo
rial waters. Under no circumstances will w r e allow the Israeli flag to pass through the Aqaba
Gulf; abgedruckt in: ILM 6 (1967), 516 ff. Dazu L.M. Gross, Passage Through the Strait of Ti
ran and in the Gulf of Aqaba, Law and Contemporary Problems 3 (1968), 125-146; M.B.W.
Hammand, The Right of Passage in the Gulf of Aqaba, Rev.Egypt.D.1. 15 (1959), 118-151, je
weils m.w.N. Während des Iran-Irak-Konflikts galt in dem vom iranischen Küstenmeer umfaß
ten Teil der Straße von Hormuz ein umfassendes Durchfahrtsverbot für die irakische Schiff