Strafverfolgung im nationalen und internationalen Rahmen
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Nord- und Ostsee betrifft, sondern Flaggenstaaten fernerer Länder. Den betroffenen Küsten- und
Hafenstaaten bleibt In diesen Fällen nur, beim Flaggenstaat anzufragen, was aus den zugeleiteten
Ermittlungsergebnissen geworden ist, und ggf. andere diplomatische Wege zum Hinweis auf aus
stehende Antworten zu nutzen.
Die genannten Aburtellungshindernisse sind sicher nicht abschließend beschrieben. Nicht gesondert
erwähnt worden ist, dass nach der Ermittlung des Illegal einleitenden Schiffes Im nächsten Schritt regel
mäßig die Ermittlung der strafrechtlich verantwortlichen Crewmitglieder zu erfolgen hat. Hier mag es - trotz
rechtlich klar umrissener Aufgabenumschreibungen für das Leitungspersonal - Im Einzelfall Zuordnungs
und Zurechnungsprobleme geben. Wichtig erscheint insoweit jedoch die Feststellung, dass die wasserpoll-
zelllchen Ermittlungsergebnisse insoweit nahezu durchgängig die gleiche Bewertung auch durch die Justiz
erfahren.
3. Begrenzte Möglichkeiten des deutschen Strafrechts
Angesprochen werden muss schließlich auch, dass nicht jeder gerichtliche Abschluss eines Verfahrens
zufriedenstellen kann. Insoweit geraten nun grundsätzliche Gegebenheiten und Grenzen des deutschen
Strafrechts In den Blick, die sich besonders bei der Verfolgung von Meeresverschmutzungen zeigen. Dies
lässt sich leicht an einem Durchschnittsfall der deutschen Verfolgungspraxis veranschaulichen.
Von einem Schiff ausländischer Flagge (‘fremdes’ Schiff i.S.d. SRÜ), dessen Besatzung zum Großteil aus
Staatsangehörigen sog. Niedriglohnländer besteht, wird über eine nicht mehr voll funktionsfähige Entöler
anlage ölhaltiges Bilgenwasser von mehr als 1000 I In die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)
der Nordsee gepumpt. Die Tat wird durch die Luftüberwachung aufgedeckt; Gewässerproben werden von
der Bundespolizei am Tatort und die Referenzproben aus dem Maschinenraum des Schiffes von der Was
serschutzpolizei Im deutschen Hafen, den das Schiff nach der Gewässerverunreinigung anläuft, gezogen.
Die unverzüglich durchgeführte Probenanalyse ergibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
dass die Gewässerverunreinigung durch das beobachtete Schiff verursacht worden ist. Die Vernehmungen
an Bord belegen, dass der wachhabende Schiffsingenieur den Pumpvorgang vorgenommen hat; strafrecht
lich verantwortlich ist zudem der wachhabende nautische Offizier, in dessen Kenntnis die Einleitung vor
genommen wurde.
Für beide Beschuldigte erlaubt das SRÜ dem Küstenstaat In Fällen wie diesem lediglich die Verhängung
von Geldstrafen (vgl. Art. 230 Abs. 1 SRÜ). Das deutsche Strafrecht sieht gemäß § 40 Abs. 1 StGB inso
weit eine Höchststrafe von 360 Tagessätzen vor (mithin ein Jahreseinkommen). Vor der abschließenden
gerichtlichen Befassung, die In der Regel erst möglich ist, nachdem das die Verunreinigung verursachende
Schiff den Hafen verlassen hat, werden zur Verfahrenssicherung Sicherheitsleistungen (§§ 127a, 132 StPO)
festgesetzt, aus denen später dann die rechtskräftig verhängten Geldstrafen vollstreckt werden. Bel der
Bemessung der Sicherheitsleistungen werden die zu erwartenden Geldstrafen zugrunde gelegt. Well bei
diesen gemäß § 40 Abs. 2 StGB stets das individuelle Einkommen der Beschuldigten zu veranschlagen ist,
führt dies In der Praxis, da jedenfalls Beschuldigten aus Niedriglohnländern zumeist über ein relativ ge
ringes Jahreseinkommen verfügen, bei zum Teil erheblichen Meeresverschmutzungen zu recht niedrigen
Sanktionen.