Die Küste, 75 MUSTOK (2009), 71-130
88
Tab. 5: Quasistationärer Stau bei über der gesamten Ostsee konstantem Wind aus der für den
jeweiligen Küstenort optimalen Windrichtung (nach Enderle, 1989)
Ort
Richtung 25m/s
Stau 25 m/s
Richtung 20m/s
Stau 20m/s
Flensburg
54,5 °/NO
3,74 m
52,4 °/NO
2,45 m
Kiel
43,5 °/NO
3,87 m
40,6 °/NO
2,56 m
Travemünde
36,7 °/NO
3,99 m
34,0 °/NO
2,64 m
Warnemünde
26,7 °/NNO
3,32 m
23,6 °/NNO
2,22 m
Das in der zitierten Untersuchung verwendete barotrope Modell der Ostsee ist nicht
veröffentlicht, und die absoluten Stauwerte in Tabelle 5 sind überraschend hoch. Trotzdem
ist glaubhaft, dass die reinen Stauwerte bei der Windgeschwindigkeit von 25 m/s über der
gesamten Ostsee im Bereich derer von 1872 liegen, die optimale Windrichtung ortsabhängig
ist und dass sie sich mit der Windstärke ändert. Die Änderung der optimalen Windrichtung
mit der Windstärke zeigt sich auch in dem zur Auswahl benutzten Ansatz von Schmager
(2003 und 1984) u. Müller-Navarra und Bork (2008). Irish et al. (2008) zeigen für durch
Hurrikane erzeugte Hochwasser, dass auch die Ausdehnung eines Sturms den Stau an einem
Ort bedeutend (bis zu 30 %) erhöhen kann.
In weiteren Simulationen berechnete Enderle (1989) optimale Windrichtungen und
Stau in Flensburg bei konstantem Wind über Teilgebieten der Ostsee einschließlich Kattegat
und Skagerrak (leider nur für Windgeschwindigkeiten bis 20 m/s). Durch Superposition er
geben sich bei gleicher Windgeschwindigkeit noch höhere Stauwerte. Der empirische Ansatz
für Warnemünde von Sager u. Miehlke (1956) basiert ebenfalls auf der Superposition, al
lerdings von Wind über der südlichen und zentralen Ostsee sowie von lokalem Wind. Ent
sprechend haben frühere Autoren auf die Bedeutung der Vorgeschichte, z. B. Wind über der
zentralen Ostsee (Kohlmetz, 1967) oder Drehung des Windes (Krüger, 1910) für die Höhe
von Sturmhochwassern hingewiesen. Auch in der Häufung von Sturmhochwassern bei be
stimmten Zugbahnen der Tiefdruckgebiete (Meinke, 2003a) spiegelt sich neben dem direk
ten Einfluss auf den lokalen Wind auch die Superposition mit der Stauwirkung aus entfern
teren Gebieten wider. Den entscheidenden Anteil bildet jedoch bei sehr hohen Wind
geschwindigkeiten der Stau durch den lokalen Wind (Stigge, 1995; Sager u. Miehlke,
1956).
Einfache analytische Theorien für stationären Wind (Colding, 1881; Hansen, 1950;
Ertel, 1972) zeigen alle eine 1///-Abhängigkeit für den Stau (mit H = Wassertiefe); sie sind
durch ihre Annahmen in ihrer Aussagekraft aber unterschiedlich stark eingeschränkt. Han
sen (1950) setzt einen schmalen geschlossenen Kanal voraus, und Ertel (1972) nimmt kleine
Gebiete (Vernachlässigung der Erdrotation) mit Tiefenänderung ausschließlich senkrecht zur
Küste an. Am allgemeinsten ist die Theorie von Colding (1881), die auch den Einfluss der
Erdrotation indirekt berücksichtigt und stückweise auf nicht notwendig küstennahe Tiefen
profile anwendbar ist. Eine Theorie mit stationärem Wind über einem breiten Zwei-Schich-
ten-Kanalmodell mit variabler Tiefe der zentralen Ostsee und unter Berücksichtigung der
Erdrotation (Krauss, 2001) zeigt eine inhomogene Verteilung der windbedingten Strömung
in der oberen Schicht, mit Randströmen in Windrichtung. Neben dem auch in den barotro-
pen Theorien gefundenen Rückstrom ist hier in der tiefen Schicht auch eine horizontale
Zirkulation in abgeschlossenen Becken möglich.