16
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 61. Band, Nr. 3
genügender Kaltluftnachfuhr in oberen Schichten (siehe oben) die Kaltluftmasse in Absinkbewegung begriffen
ist, wofür auch die kräftige Inversionsbildung in dem angeführten Temperaturaufstieg von Pensacola spricht,
E. Labilisierung und Energie aus thermodynamischen
Kreisprozessen.
Nach P. Raethjen (3) kann wesentliche Energie auch aus thermodynamischen Kreisprozessen gewonnen
werden, in der Art, daß die warmen und kalten Advektionsströme als Reservoire für entsprechende Wärme
mengen aufgefaßt werden, wobei man sich die Zirkulation der auf- und absteigenden Luftteildien zu einem
Kreisprozeß zusammengesetzt denkt. Für den Energiegewinn kommt es dabei nur auf die Summe der Teil
zirkulationen der einzelnen Luftteilchen an, denn natürlich wird in der Regel ein auf der Vorderseite warm
aufsteigendes Teilchen nicht wieder selbst auf der Rückseite absinken. Würde man mit dieser Vorstellung an
den vorliegenden Fall herangehen, so hätte man also zu prüfen, ob überhaupt ein entsprechendes Wärme- bzw.
Kältereservoir vorhanden oder in Ausbildung begriffen ist.
Die Frage des Massenfeldes ist oben unter C. bereits durch Betrachtung der relativen Topographien
ausreichend behandelt. Wir konnten feststellen, daß in der Tat eine mächtige Kaltluftmasse gegen eine warme,
zu Anfang ruhende Luftmasse geführt wurde. Die beiden Reservoire für die Wärmemengen sind also vor
handen.
Damit nun für diese eventuell zur Verfügung stehenden Energien auch die Möglichkeit der Umsetzung
gegeben ist, muß das Gesamtsystem der Zyklone bzw. der beiden Advektionsströme irgendwie labil sein. Wir
betrachten im folgenden speziell nur die Labilität des Vertikalaufbaues. Zur Frage dieser Labilität haben wir
oben bei der Kaltfrontneigung bereits einiges angeführt. Nachstehend untersuchen wir die Labilisierung auf
eine nun schon mehrfadr angewandte Art (10), (11), indem wir die Temperaturänderungen zwischen 1000 und
800 mb, sowie zwischen 800 und 500 mb besonders ins Auge fassen. Wir werden auch diese Änderungen der
Mitteltemperaturen wie die relativen Topographien selbst in geodynamischen Dekametern angeben. Da eine
Änderung der Mitteltemperatur um 1° C in der unteren Schicht eine Änderung um 6 gdm, in der oberen
Schicht eine solche um 13 gdm ausmacht, werden wir, um vergleichen zu können, die Änderungswerte der
oberen Schicht halbieren. Wir haben dabei das Verhältnis 6 : 13 durch 1 :2 mit genügender Genauigkeit
angenähert, und in unseren Differenzkarten entspricht dann 1’ C je 6 gdm. Die in den Abbildungen 29—31
dargestellten Labilisierungskarten sind durch sukzessive graphische Addition gewonnen. Es sind also die
Karten der relativen Topographie für die Schicht von 500 bis 800 mb und für die Schicht von 800 bis 1000 mb
für alle vier Aufstiegstage gezeidmet und die 24stündigen Änderungen graphisch gebildet. Von je zwei zeitlich
zusammengehörigen Änderungskarten ist unter Anbringung des Faktors 1/2 an den Werten der oberen Sdiicht
wieder die Änderung gebildet. In der ersten Karte (Abb. 29, Tafel V) erkennen wir eine starke Labilisierung
über den Rocky Mountains und dem nördlidren Felsengebirge, und die obere Schicht wird gegenüber dem
Vortag stellenweise um 7° kälter als die untere, während in der Warmluft über den Südstaaten kaum eine
Änderung des Stabilitätsgrades eingetreten ist. Wie die Niederschlagskarte für den gleichen Zeitraum
(Abb. 11, Tafel III) zeigt, bedeutet allerdings die schwache Stabilisierung im Süden noch lange keine Stabilität,
und amWestrande derWarmluft über Mexiko ist im Gegenteil vereinzelt eine 24stündige Niederschlagssumme
von über 50 mm, verschiedentlich noch eine solche von über 30 mm gemessen worden. Am 23. morgens weiß
man also, daß erstens Warmluft über den Südstaaten lagert, die überdies im westlichen Teil labil geschichtet
ist (Niederschläge), daß zweitens aber Kaltluft aus der Gegend des Großen Salzsees vordringt, die mit einer
in der Höhe (jedenfalls zunächst noch) vorauseilenden, sehr kräftigen Labilisierung einhergeht (Abb. 29,
Tafel V). Damit ist, wenn man sein Hauptaugenmerk auf einen thermodynamischen Energiegewinn aus
Kreisprozessen richtet, auch von dieser Seite her am 23. morgens zu erkennen, daß mit Annäherung der Kaltluft
und des Labilisierungsgebietes an die südliche Warmluft ein großer Energievorrat frei werden kann.
Bei der Labilisierungskarte für die nächsten 24 Stunden (Abb. 30, Tafel V) vermißt man auf den ersten
Blick das große Labilisierungsgebiet vom Vortage. Dazu muß man sich aber die tatsächlich vorhandenen
Labilitätsverhältnisse vor Augen führen. Auf das umfangreiche Niederschlagsgebiet am Vortage über
Texas hatten wir schon hingewiesen. Desgleichen herrscht am 22. Januar morgens südwestlich von Chicago
mehrfadi Regen, während sich in den folgenden 24 Stunden der Stabilitätsgrad über diesen Gebieten nach der
Abbildung 29 (Tafel V) nicht wesentlich geändert hat. Hier lagen also schon labile Verhältnisse vor. Selbst
wenn.jetzt über diesen Räumen durch Advektion kräftigste Höhenabkühlung eintreten würde, so könnte sich
das nur in ebenfalls kräftigsten Umlagerungen äußern, denn stark überfeuchtadiabatische Temperatur
gradienten können sich nicht ausbilden. Dementsprechend sehen wir in der Abbildung 30 (Tafel V) von Texas
bis zu den Amerikanischen Seen gegenüber dem Vortag nur noch eine geringe Zunahme der Labilität. Daß