Dr. Carl Pflugbeil: Sturmtiefbildung ü. d. nordamerik. Kontinent (Höhen Wetterkarten ; Isentropcn-Analyse) 17
aber das überaus kräftige Labilisierungsgebiet nicht spurlos vorübergezogen ist, erkennen wir an der zuge
hörigen Niederschlagskarte (Abb. 12, Tafel III). Von Texas bis zu den Amerikanischen Seen hin erstreckt sich
ein ausgedehntes, sehr intensives Niederschlagsfeld, und die Niederschlagssummen erreichen in 24 Stunden
maximal sogar den sehr hohen Wert von 73,1 mm, wobei insgesamt zwei Stationen je über 70 mm, eine Station
über 65 mm und nochmals zwei Stationen je über 50 mm melden. Wenn man dann noch beachtet, daß über
einzelnen Teilen Nordamerikas (Connecticut und ¿Massachusetts) 10—15zöllige Schneedecken (25—38 cm) in
einer einzigen Nacht durch die herangeführte Warmluft bei anhaltendem Regen zum Schmelzen gebracht
wurden, so kann man sich ein Bild von den plötzlich auftretenden Wassermassen machen.
In der Abbildung 31 (Tafel VI) kommt dann das große Labilisierungsgebiet des ersten Tages in der
Nähe des unteren Mississippi zum Teil wieder zum Vorschein, da es jetzt über einem Raume erscheint, der
vorher von Warmluftmassen stabiler Schichtung überdeckt war. Im Prinzip gibt dieses Labilisierungsgebiet
das Anwachsen der Kaltluft wieder. Wir beachten noch das Stabilisierungsgebiet hart westlich der Amerikani
schen Seen, das sich über Pensacola bis zum Mexiko-Golf hinzieht. An dem Temp Pensacola vom 25. Januar
1938 (Abb. 25, Seite 15), können wir deutlich das Zustandekommen dieses Stabilisierungsgebietes erkennen.
In den unteren Schichten ist Kaltluft herangeführt worden, während in den oberen Schichten die Abkühlung
nidrt so stark ist. Daß aber in den untersten Schichten trotzdem stärkste Abkühlungen auftreten, haben wir
schon früher (z. B. an Hand der Abb. 25, Seite 15, bei Pensacola) vermerkt. Beim Vordringen dieser unteren
Kaltluft kann es natürlich in diesen Schichten auch zu Umlagerungen kommen (vgl. die gesättigte Luftschicht
im Aufstieg von Pensacola), und in der Tat zeigt die Abbildung 13 (Tafel IV) gerade in diesem Stabilisierungs
gebiet noch beachtliche Niederschlagssummen, während in den westlicher gelegenen Labilisierungszonen, welche
durch das Anwachsen der Kaltluft Zustandekommen, kaum noch Kondensation eintritt. Im Winter ist es
eben so, daß beträchtliche Niedersdrläge auch aus verhältnismäßig dünnen Wolkendecken fallen können, und
unsere grobe Einteilung der unteren Atmosphäre in die beiden Schichten 1000—800 mb und 800—500 mb reicht
zur detaillierteren Erklärung dann nicht mehr aus.
F. Isentropen-Analyse und Vertikalbewegungen.
In Nordamerika und in Europa werden zur Auswertung aerologischer Messungen im praktischen
Dienst wesentlich verschiedene Verfahren angewandt. Während in Deutschland das Hauptziel der aerologi-
schen Analyse eine Aussage über die Steuerung und Intensitätsänderung der Druckwellen ist, einsdrließlidi
der überraschenden Neuentstehung großer Druckänderungsgebiete (1), (2), (12), (13), so wie wir es oben
durchgeführt haben, verfolgt man in Nordamerika in besonderem Maße die Niederschlagsbildungen und damit
auch die Zungen feuchter Luft (14). Natürlich hat man auch in Nordamerika das größte Interesse an Sturm
zentren. Aber eine besondere Ausrichtung der praktisdien Meteorologie in bezug auf die Entwicklung
solcher Sturmzentren scheint hier nicht zu bestehen; vielleicht weil hier die großen Stürme zum Teil durch
tropische Orkane verursacht werden, deren Entstehungsbedingungen für die Praktiker bisher kaum zu
erkennen waren. Die einzige Theorie, die m. W. die Entstehung tropischer Wirbelstürme in plausibler Weise
wiedergibt und überdies praktisch anwendbar ist und auch mit Erfolg angewandt worden ist (im Ozeanfunk
der Deutschen Seewarte, Hamburg), ist die von Rodewald (2). Nebenbei sei erwähnt, daß die Amerikaner
ein ausgezeichnetes Beobachtungsnetz und einen gut funktionierenden Warndienst haben, wenn es sich um die
Verfolgung schon vorhandener Wirbelstürme handelt.
Im folgenden geben wir einen kurzen Überblick über die mit der Isentropen-Analyse verknüpften An
schauungen
Die Isentropen-Analyse ist durch Roßby und Mitarbeiter (4) in den synoptisdien meteorologisdien
Dienst Nordamerikas eingeführt worden. Um Frontflächen festlegen zu können, muß man die Luftmassen
beiderseits der Frontfläche durch genügend charakteristische Werte kennzeidinen und insbesondere auch von
Tag zu Tag verfolgen können. Würde man eine feste Niveaufläche zum Vergleich nehmen, z. B. die 4030-m-
Fläche, so würde eine Identifikation der Luftmassen von einem Tag zum anderen durch die fast immer vor
handenen Vertikalbewegungen außerordentlich erschwert, da die betrachteten Luftmassen bis zum nächsten
Termin bereits das fragliche Niveau verlassen haben könnten. Roßby hat daher schon 1932 (15) zwei konser
vative Elemente zur Kennzeichnung der Luftmassen vorgeschlagen: Potentielle Temperatur und spezifische
Feuchtigkeit. Die Voraussetzung, daß die potentielle Temperatur von einem Tage zum anderen konstant
bleibt, bedeutet, daß man erstens nur trockenadiabatische Prozesse zuläßt, und daß man weiter von den nicht
adiabatischen Strahlungseinflüssen absieht. Beide Voraussetzungen bedeuten aber wesentliche Einschrän
kungen, die wohl in den seltensten Fällen streng zu Recht bestehen. Solange sich die potentielle Temperatur ft