Dr. Paul Perlewitz: Hühenwindmessungen und andere Beobachtungen zwischen dem Kanal und dem La PI,ata. 37
Giltig ist unser Bild iür die Zeit, aus der die Beobachtungen stammen, also fiir die beiden Monate März
und Juni 1924. Es kommt mm aber darauf an, das Gesetzmäßige von dem Nichtgesetzmäßigen zu trennen.
Das ist für den mittleren und südlichen Teil des Ozeans besonders schwierig. Aus dem nördlichen
Teil liegen schon aus der Zeit vor dem Kriege und aus den Jahren 1922/23 mehrere Reihen von Beob
achtungen vor. Es ist daher nicht leicht möglich, aus den lückenhaften Beobachtungen des Südatlantik
und dem scheinbaren Wirrwarr von Stromlinien, die wir erhalten haben, jene Trennung zwischen
lokalen und allgemeinen Erscheinungen zu erkennen, trotzdem die „Minden“ erhebliches neues Beobach
tungsmaterial mitbrachte. Eine festere Grundlage werden uns erst die zu allen Jahreszeiten während
der Jahre 1925 und 1926 angestellten aerologischen Beobachtungen des „Meteor“ und weitere Studienfahr
ten bringen; sie werden die bisherigen Anschauungen über die Zirkulation im Luftatlantik wesentlich
ergänzen und revidieren.
Wir wissen, daß sich die verschiedenen Luftkörper über der Erde, im besonderen auch über
dem Atlantik, dauernd wie Schalen oder Schalenteile teils langsam teils schnell übereinander hinweg
schieben und dabei ihre Formen, Größen und Dicken ändern. Aber wie diese Verschiebungen und Be
wegungen, hervorgerufen letzten Endes durch örtliche und zeitliche Temperaturdifferenzen, verändert
durch Land-, See- und lokale Einflüsse, allgemein und jahreszeitlich zu erklären sind, ist noch nicht
zufriedenstellend gelöst. Diese Lösung ist ein Hauptziel der heutigen Aerologie oder Aeroozeanographie,
sowohl der theoretischen wie der praktischen für den Weltluftverkehr.
Um eine Übersicht über unsere Ergebnisse aus den Gruppen I—VIII zu bekommen, habe ich in
der Tafel 10 die charakteristischen Höhenwindmessungen aus allen Gruppen in zwei Schnitten für März
und Juni 1924 zusammengestellt. Ich fasse hiernach die Minden-Ergebnisse in folgenden Sätzen zusam
men, indem ich meine früheren Mitteilungen 16 ) ergänze.
1. Die Westwindzonen der beiden gemäßigten Breiten steigen nach dem Äquator zu schräg an;
diese Steigung erstreckt sich über rund 10 Breitengrade innerhalb der Schicht von unten bis etwa
20 km Höhe. Vom Nordostpassat ist ein Schräganstieg seiner nördlichen Grenzfläche schon länger
bekannt, doch zeichnete man diese Grenze gewöhnlich flacher, um die gelegentlich nahe dem Äquator
beobachteten Westwinde zu erklären. Ferrel hat das schräge Ansteigen des Passats schon vermutet,
wie eine seiner bekannten Zeichnungen von der Zirkulation der Winde um die Erde zeigt. Pernter 17 )
gibt als Höhe des Passats (Antipassatgrenze) die folgende an:
In der Breite 4° 5° 10° 15° 20° 26° 30° 35°
Passathöhe, km 65 40 16 10 6 4 2,5 0,5
2. Innerhalb des Tropengürtels mit seinen östlichen Winden befindet sich in der Höhe eine West
windzone, die nicht mit den hohen Westwinden der Subtropen und dem Westwindgürtel der gemäßigten
Breiten im Zusammenhang zu stehen scheint, wie man bisher annahm; sie reicht aus über 20 km Höhe
gelegentlich bis 5 km herab, also fast bis zur windstillen Schicht (vgl. Nr. 4), mit der sie demnach viel
leicht in genetischem Zusammenhang steht. Diese in die östlichen Winde und Äquatorstillen eingebettete
Westwindtrift hatte 1924 eine Breite von schätzungsweise rund 10 Breitengraden und verschob sich mit
den Jahreszeiten und Wetterlagen der Subtropen bald nördlich, bald südlich. Ob dieser Westwind die
Fortsetzung des auf den Äquator zu gerichteten bodennahen Ostpassats ist, der sich im Stillengürtel
gehoben hat, dann auf die andere Erdhälfte übergetreten ist und soweit gedreht hat, daß er als stän
diger westlicher Wind erscheint, muß durch weitere Beobachtungen festgestellt werden; die dazwischen
liegende Stillenschicht (Nr. 4) scheint gegen diese bereits ausgesprochene Erklärung zu sprechen.
Treffen wir in der Höhe über den Tropen Westwind, so ist festzustellen, ob dieser zu den nörd
lichen oder südlichen subtropischen hohen Westwinden gehört, oder ob er von beiden getrennt als
selbständige Trift erscheint.
1«) Das Wetter, 1926, S. 136.
17 ) Vgl. Meteorologische Zeitschrift, 1890, S. 180.