370 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1926,
(Fig. 3 auf Tafel 23)') weisen gleichfalls bedeutende, zum Teil sogar noch viel
schroffere negative Abweichungen von den vieljährigen Mitteln auf; so war Anfang
Dezember und am 15., 16., 18. bis 20., 25,, 27. und 29., ferner am 3,, 4., 10., 11., 18., 19,,
21., 24., 27. und 29. Januar und zu Beginn des Februar die Lufttemperatur im west-
lichen Teile des Finnischen Busens gleich der von Leningrad und bisweilen sogar
niedriger als diese (z.B. am 19.Januar um ganze 5°!), Die starke Abkühlung des
Wassers im Westgebiet des Busens ist hiernach verständlich. Dessen Tiefentempera-
turverhältnisse laut Messung vom 25, Januar 1926 in der Gegend von Kokscher
inmitten einer zusammenhängenden festen Eisdecke, die sich dort etwa zehn Tage
vor der Messung gebildet hatte, läßt Fig. 4 erkennen, Die obere Wasserschicht
bis zur Tiefe von etwa 50 m hatte bereits so frühzeitig eine fast völlig gleich-
mäßige Temperatur nahe dem Gefrierpunkt?), nämlich -+-0.3°; dann folgte ein
jäher Temperatursprung, der die obere Grenze des wärmeren Bodenwassers be-
zeichnete, Fast um dieselbe Zeit, nämlich am 22, Januar, betrug hingegen in
einem verhältnismäßig normalen Winter, 1923/24, die Temperatur der oberen
Wasserschicht (bis 25 m Tiefe) östlich von dem eben genannten Beobachtungs-
punkt, bei Hogland, rund 1°, und zwar über einer Tiefe von nur etwa 2/; derjenigen
des erst erwähnten Punktes, mithin in einer Lage, in der an sich relativ stärkere
Abkühlung zu erwarten wäre®). Die geschilderte diesjährige „verfrühte“ Abkühlung
einer beträchtlichen Wasserschicht war der Bildung des Eises in hohem Grade
günstig; in der Tat erreichte dieses die für die Gegend von Hogland zu jener
Jahreszeit ungewöhnliche Stärke von 40cm, .
Verstärkt wird die Wirkung der Kälteeinbrüche auf die Ausdehnung der
Eisdecke durch Winde aus dem Östquadranten, welche die in dem meist kälteren
Ostteil des Finnischen Busens gebildeten Eismassen nach dessen Westhälfte und bis
zum Ausgang in die offene Ostsee hin verfrachten, In der Gegend von Kurgalowo
— etwa auf halber Wegelänge des Busens — herrschten im Januar 1926 süd-
östliche Winde weitaus vor (Fig. 5 auf Tafel 23); dasselbe galt von Reval, wo nur
die Streuung um die Hauptrichtung herum ein wenig größer war (Fig. 6 auf
Tafel 28). Die wechselnden Windrichtungen im Dezember 1925 (Fig. 7 auf Tafel 23)
hatten ein starkes Schwanken der Lage der Eisgrenze im Gefolge gehabt. Am
13. Dezember war diese 60 Sm von Leningrad entfernt, schon am 16. doppelt so
weit (110 Sm)*); am 19. wiederum verkürzte sich der Abstand auf 40 oder
50 Sm) 5) infolge der starken Winde aus SW bis W.
Das rasche Vorrücken der Eisgrenze und weiterhin die veränderliche Trift
jer schon recht dichten Eismassen, die Ende Dezember bereits den ganzen östlich
von Hogland befindlichen Teil des Busens bedeckten, erschwerten die Schiffahrt
sehr. Die Eisbrecher stießen zu jener Zeit schon inmitten der Eistrift auf beträcht-
liche „Eistorossen“. Später, nach der endgültigen Bildung der starren Eisdecke — in
der Osthälfte des Busens etwa bei Nerwa--Ssommers gegen Mitte Januar, weiterhin
teils bis Hogland und stellenweise sogar bis Stenscher — traten überaus mächtige
Torossen auf, ähnlich denen, die in dem sehr schweren Winter 1922/23 sich zu
arheblich vorgerückterer Jahreszeit gebildet hatten. . Schon Anfang Januar 1926
gelang es dem Eisbrecher „Lenin“ nicht mehr, in dem schweren Eise seine Schiffs-
karawane rechtzeitig bis zu dem damals 160 Sm von Leningrad liegenden Frei-
wasser zu bringen; während er langsam westwärts vordrang, rückte die Eisgrenze —
schneller als er — bis zum Abstand von 240 Sm vor, vergrößerte also ihre Ent-
fernung um das 1!/,fache.
Die Querschnitte durch die Eisdecke (Fig. 8) sind nach den Beobachtungen
der Eisbrecher gezeichnet, sie gelten für das „Große (Korabelny-) Fahrwasser“
(Ostsee-Hdb.. Mittl. Teil, 5. Aufl, S. 579) und zeigen dessen Eisverhältnisse fast
‘) Nach dem täglichen Funkwetter für 7h Vm,
2) Der Gefrierpunkt des Oberflächenwassers liegt in jenem Gebiet wegen des etwa 6% betragenden
Salzgehaltes bei — 0.3 bis — 0.4°.
3) Weitere vollständigere Messungen von Tiefseetemperaturen im März d. J. ließen überhaupt
eine nach Westen hin sich steigernde Abkühlung des Wassers im Finnischen Busen erkennen.
%) Unter normalen Verhältnissen wird dieser Abstand Mitte Januar erreicht,
5) In Fig. 1 nicht zum Ausdruck gebracht, da dieser Zustand nur einen Tag dauerte; die Lage
zom 18./21. Dezember (also 80 Sm) wurde bald von neuem erreicht,