4 Meereschemie
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Nordseezustand 2004
4.1 Nährstoffe
4.1.1 Einführung
Nährstoffe wie Phosphor- und Stickstoffverbindungen sowie Silikat sind für das Leben
im Meer von grundlegender Bedeutung. Die Nährstoffzufuhr über Flusssysteme und
die Atmosphäre ist zunächst ein natürlicher Prozess. Seit den 1950er Jahren sind die
Nährstoffkonzentrationen im Meer jedoch als Folge der Intensivierung von Landwirt
schaft, Industrie und Verkehr erheblich angestiegen.
Veränderungen in der Meeresumwelt, wie das Auftreten von starkem Algenwachstum
(Planktonblüten) und von Sauerstoffdefiziten, wurden mit erhöhten Nährstoffkonzen-
trationen in Verbindung gebracht. Überschüssige Nährstoffe begünstigen möglicher
weise auch das Wachstum toxischer Phytoplanktonarten, die beispielsweise erhebli
che Schäden in Fischfarmen verursachen können. Starke Phytoplanktonblüten führ
ten u. a. in den 1980er Jahren zu ausgedehnten Schaumteppichen (»Phaeocystis-
blüten<) an den Stränden.
Zur Bekämpfung der >Eutrophierung< haben sich internationale Organisationen
(OSPAR, HELCOM, EU) darauf verständigt, den Nährstoffeintrag auf die Hälfte desje
nigen von 1985 zu reduzieren. Die europäischen Vorschriften zur Behandlung von Ab
wässern und zur Verwendung von phosphatfreien Waschmitteln führten zu einer Re
duktion des Eintrags von Phosphor in Flüsse und Seen. Die Nutzung Nitrat-basierter
Dünger hat sich in Europa seit 1980 verringert. Der Eintrag aus landwirtschaftlichen
Quellen in die Flüsse ist jedoch immer noch hoch. Um die Entwicklung von Ausmaß
und Wirkung des anthropogenen Nährstoffeintrags zu erfassen und das Greifen von
Maßnahmen zur Verringerung der Einträge zu kontrollieren, werden sowohl Nährstoff-,
als auch Sauerstoffgehalte regelmäßig überwacht.
Die räumliche Verteilung der Nährstoffe in der Nordsee ist keineswegs gleichförmig.
Starke Konzentrationsgradienten, die sich beim Zusammenspiel von Lage und Ein
tragsstärke der Quellen, der Vermischung und der Strömung einstellen, treten bei
spielsweise im Bereich der Frontalzone der Deutschen Bucht auf. Die Nährstoffkon
zentrationen des Nordseewassers unterliegen darüber hinaus einem ausgeprägten
jahreszeitlichen Gang. Die höchsten Konzentrationen treten zum Ende des Winters
auf, wenn der Verbrauch durch das Plankton aufgrund Lichtmangels und niedriger
Temperaturen minimal und die Remineralisierung der Biomasse des vorausgegange
nen Sommers fortgeschritten ist.
Mit zunehmender Sonneneinstrahlung im Frühjahr beginnt die Primärproduktion und
die gelösten Nährstoffe werden aus der Wassersäule aufgenommen. Sobald einer der
Nährstoffe aufgezehrt ist, begrenzt dieser Stoff das weitere Wachstum: Er wird zum »li
mitierenden Faktor<. Die Biomasse bleibt dann auf dem bestehenden Niveau im dyna
mischen Gleichgewicht von Aufbau und Zerfall. Während die Nährstoffverteilungen im
Winter von hydrographischen Einflüssen dominiert werden, treten in der Vegetations
periode biogeochemische Faktoren hinzu, die oft diese beherrschende Stellung über
nehmen.