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Kapitel 1: Transportgrößen im Ozean
der horizontalen Geschwindigkeitskomponenten ist es dann die unbekannte Integrationskon
stante, die “Referenzgeschwindigkeit”, wodurch das Dichtefeld die absolute geostrophische
Geschwindigkeit unterbestimmt lässt [Schlichtholz, 1991]. Die thermischen Windgleichungen
liefern somit nur den tiefenabhängigen oder baroklinen Anteil einer geostrophischen Strömung
im Ozeaninneren. Das klassische Problem der Ozeanographie reduziert Wunsch [1996] auf die
Frage:“what is the Integration constantf'.
Die thermischen Windgleichungen und die Annahme einer “level of no motion”, einer be
wegungslosen Fläche, bilden die Basis der “dynamischen Methode” zur Bestimmung der Re
ferenzgeschwindigkeiten. Die dynamische Methode liefert das vertikale Profil der absoluten
geostropischen Geschwindigkeit relativ zu der Geschwindigkeit eines Referenzniveaus. Die
Geschwindigkeit des Referenzniveaus oder auch “level of no motion” wird gleich Null gesetzt.
Die dynamische Methode bestimmt die Geschwindigkeit zwischen einem Stationspaar relativ
zu der Geschwindigkeit des Referenzniveaus aus der Differenz der geopotentiellen Anomalien
der beiden Stationen. Für einen vollständigen transozeanischen Schnitt ermöglicht die dyna
mische Methode, unter Voraussetzung der Massenerhaltung, die Berechnung der vertikalen
Geschwindigkeitsscherung normal zu diesem Schnitt. Die vertikale Integration oberhalb des
Referenzniveaus liefert dann relative Geschwindigkeiten zu demselbigen, wobei die relative
Geschwindigkeit selbst, entlang des Referenzniveaus, gleich Null ist. Das Referenzniveau lässt
sich in diesem Fall mit der Methode der kleinsten Quadrate bestimmen: Es entspricht der
Tiefe, in welcher der quadratische Netto-Transport über den gesamten Schnitt minimal ist
und charakterisiert dann korrekterweise eine “level of slow motion”.
Verschiedene andere Versuche zur Definition des Referenzniveaus wurden bisher unternom
men. Einen der frühesten unternahm Defant [1941]. Nach seiner Definition fällt der Refe
renzniveau mit der Tiefe zusammen, wo die vertikale Geschwindigkeitsscherung verschwin
det. Weitere Definitionen des Referenzniveaus basieren auf der Analyse von Wassermassen
und/oder hydrographischen Extremwerten, wie dem Sauerstoffminimum [ Worthington, 1976].
Krauss [1996] gibt einen Überblick der historischen Entwicklung der dynamischen Methode
und des dabei zu bestimmenden Referenzniveaus. Zum praktischen Nutzen konnte sich bisher
jedoch keine Methode endgültig durchsetzen, trotzdem wurden die wichtigsten Strömungs
muster der gesamten Wassersäule des Atlantiks auf der Basis eines Referenzniveaus abgeleitet.
Analytische Methoden zur Bestimmung des Referenzniveaus, inverse Berechnungen, basieren
auf einem System von Erhaltungsgleichungen. Sie versuchen vor allem die, aus dem Dichte
feld abgeleiteten, relativen Geschwindigkeiten durch die Bestimmung der Referenzgeschwin
digkeiten in Absolutwerte zu überführen. Die bisher eingeführten analytischen Methoden
diskutiert z.B. Schlichtholz [1991]. Die beiden “klassischen”, linearen inversen Methoden sind
die von Wunsch [1978] etablierte “inverse Box-Methode” und die der “^-Spirale” [Schott und
Stommel, 1978]. Die inverse Box-Methode beruht auf der Annahme, dass das Referenzni
veau und damit die Referenzgeschwindigkeit von einer geographischen Position zur nächsten
variiert. Für jedes Stationspaar der betrachteten Region wird zu der, mit Hilfe der dynami
schen Methode abgeleiteten, relativen Geschwindigkeit ein Korrekturterm - die unbekannte
Referenzgeschwindigkeit - addiert. Die inverse Analyse liefert dann für jedes Stationspaar
den Betrag dieser Geschwindigkeit und das Referenzniveau entspricht der Tiefe, in der das
Quadrat der Referenz- oder Korrekturgeschwindigkeit über die gesamte Box minimal ist. Vor
aussetzung der inversen Box-Methode ist, dass die im Ozean betrachtete Region vollständig
durch Küstenlinien und hydrographische Schnitte eingeschlossen ist. Nach dieser inversen
Box-Methode berechnet Woelk [2000] das absolute horizontale Geschwindigkeitsfeld für ein