Überraschende Folgen einer Sitzung in Paris
Sitzungen von internationalen Gremien können ungemein langweilig werden, wenn
auf den ersten Blick wenig wichtige Punkte mit großer Ausdauer diskutiert werden.
Definitionen, die im Konsens festgelegt werden müssen, gehören zu solchen Dauerbren-
nern. Wie wichtig aber eine derartige Sitzung bei der Intergovernmental Oceanographic
Commission (IOC) in Paris im Januar 1964 werden sollte, stellte sich erst 1965 heraus, als
die METEOR aus politischen Gründen die soeben begonnene Arbeit am Eingang des
Persischen Golfes abbrechen sollte.
Stundenlang waren in der UNESCO zur Vorbereitung der International Indian
Ocean Expedition die Grenzen dieses Ozeans diskutiert worden, vor allem die West- und
Ostgrenze südlich Afrikas und Australiens. Argumente hin, Argumente her, und schließ-
lich kurz nach 12 Uhr ein gemeinsamer Beschluß. Viele. Teilnehmer waren gereizt wegen
mancher Rechthabereien. Deshalb wollte ich die Stimmung aufheitern und fragte nach
der Nordgrenze des Indischen Ozeans. Alles lachte. Nur ein Anwesender nahm die Frage
ernst und wies darauf hin, daß dieser Ozean Ja als einziger im Norden Landgrenzen habe.
„Also sind das Rote Meer und der Persische Golf Teile des Indische Ozeans?“ fragte ich.
„Natürlich!“ war die erleichterte Antwort auf diese letzte Frage vor der Mittagspause. So
wurde die Untersuchung dieser Randmeere offiziell Teil der unter der Schirmherrschaft
der IOC-UNESCO stehenden Expedition.
Ein Jahr später an Bord der METEOR: Wir hatten am 24. März 1965 gerade die
ersten beiden Stationen in der Straße von Hormus gefahren, als uns ein Telegramm am
25. März, 1.30 Uhr, nach Hamburg zurückrief. Der Grund: Die Aufnahme diplomati-
scher Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel in diesen Tagen hatte einige
Anrainerstaaten des Golfs veranlaßt, diese Beziehungen abzubrechen. In Bonn und
Hamburg befürchtete man dadurch Komplikationen und sah sogar Gefahren für das
Schiff. Wir erhoben die verschiedensten Einwände und schlugen telefonisch und in
Telegrammen eingeschränkte Ersatzprogramme vor. Darauf wurde ein Telegramm aus
Hamburg am 25. März um 12.42 Uhr aufgenommen:
„auf gestriges ferngespraech und ihren gegenvorschlag stop abgrenzung natio-
naler schelfansprueche voelkerrechtlich ungeregelt stop vorhaben persischer
golf kein teil des unesco unternehmens stop im kontakt mit aa nach erneuter
ruecksprache mit praesident dfg wegen allgemeiner lage beschraenken auf
strommessungen und sonstige arbeiten ihres gegenvorschlages im querschnitt
vor strasse von hormus auf tiefen groesser 200 m stop bedaure ausserordent-
lich etc.“
Wir hielten einen fast permanenten Kriegsrat an Bord, um angesichts der langen
Vorbereitungen für diese erste Fahrt mit der neuen METEOR zu retten, was zu retten
war. Ein Abbruch wäre kein guter Auftakt für die Nachkriegsepoche der deutschen
Hochseeforschung gewesen. Das war die erklärte gemeinsame Auffassung von Schiffsfüh-
rung und Eingeschifften, Am 26. März wurde uns telegrafisch eine endgültige Entschei-
dung für 29. März, dann für 30. März in Aussicht gestellt. Daraufhin wurde ein aufeinan-
der abgestimmtes Programm für den der Straße von Hormus benachbarten Kontinental-
abhang zum Golf von Oman ausgearbeitet und durchgeführt. Kapitän E. W. Lemke
nahm es auf sich, dort so lange zu kreuzen und Stationen zu fahren, bis nach vielen, recht
gestörten Telefongesprächen und Telegrammen ein Kompromiß für den Persischen Golf
gefunden werden konnte.
Da waren das DHI, die DFG, die BGR in Hannover, die Universität Kiel fachlich
am Zuge, das Auswärtige Amt politisch. Ein Krisenstab war in Bonn einberufen worden,
und alles hing tagelang an einem seidenen Faden. Er riß nicht, da viel guter Wille und
eine Portion Optimismus bei verschiedenen Beteiligten in der Heimat ein Gegengewicht
zum Abbruchbefehl bildeten. Ein besonderes Argument aber gab schließlich den Aus-
schlag für eine annehmbare Lösung.
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