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Full text: Forschungsschiff Meteor 1964-1985

Mir fiel die damalige Sitzung in Paris ein und die Schirmherrschaft der I10C- 
UNESCO auch für unser Unternehmen im Persischen Golf. Ein Telefonat mit meiner 
Frau und die Bitte, diesen damaligen Beschluß aufzuspüren und zu aktivieren, kam in die 
richtigen Hände. Professor G. Dietrich, der aus Karachi von der METEOR zurückge- 
kommen war, brachte die entscheidenden Unterlagen bei, die die Fortsetzung der Expe- 
dition erlaubten. Am 30. März ging um 13.53 Uhr das erlösende Telegramm an Bord ein. 
Auch bei langweiligen Passagen internationaler Sitzungen kann es sich also lohnen 
aufzupassen! 
Eugen Seibold 
Geistesgegenwart 
Geistesgegenwart — das ist blitzschnelles Reagieren auf unerwartete Ereignisse, 
eine Eigenschaft also, die im Schiffsbetrieb immer wieder gefordert wird. Auf METEOR 
ergab sich mehr als einmal die Gelegenheit, Beispiele dafür zu beobachten. Für den 
Außenstehenden besonders überraschend war dabei, daß es sich bei diesen Beispielen 
um Besatzungsmitglieder handelte, die man eher als ruhig, bedächtig und daher langsam 
reagierend eingeschätzt hatte. 
So geschah es einmal, als die hydrographische Schöpferserie, am Draht der W1 
hängend, zum x-ten Mal gehievt wurde, daß plötzlich ein Kardeel (Litze) des nur 4 mm 
starken Stahlseils brach. Bevor noch jemand anderes begriffen hatte, was passiert war, 
sprang Bootsmann Erich Becker, der an Deck stand, hinzu, holte den unbeschädigten 
Teil des Drahts (an dem noch etliche schwere Wasserschöpfer hingen) mit der bloßen 
Hand über die Reling und hielt ihn dort so lange fest, bis er abgefangen und die 
Schadstelle vorsichtig über die Rolle auf die Winde geleitet werden konnte. Man sagte 
dem Bootsmann übrigens nach, er sei früher einmal Catcher gewesen — seine Körper- 
kräfte waren jedenfalls noch immer entsprechend gewaltig, was natürlich bei allen Arbei- 
ten an Deck häufig von größtem Nutzen war. Nur wenig übertrieben war daher die 
Behauptung, er erspare oft die Anwendung eines Krans! . 
Das zweite Beispiel stammt aus dem Bereich der Maschine. Eines Tages — es war 
schon während des ersten Teils der Expedition in den Indischen Ozean — passierte es, 
daß im Maschinenraum eine Brennstoffleitung riß, und der auslaufende Brennstoff sich 
an einem Auspuffrohr entzündete. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß der Leitende 
Ingenieur, „Chief“ Bernhard Ammermann, sich gerade in der Nähe mit einem seiner 
Mitarbeiter unterhielt. Ehe dieser es sich versah, hatte der Chief schon einen Feuerlö- 
scher in der Hand, mit dessen Hilfe es gelang, diesen Brand im Keim zu ersticken, der 
sonst leicht hätte gefährlich werden können. Daß der Chief im übrigen seine Maschinen 
wie (oder besser als?) seine eigenen Kinder behandelte, zeigte sich darin, daß die 
Generalüberholung erst nach mehr als der doppelten vom Werk empfohlenen Betriebs- 
dauer nötig wurde. Zu recht erhielt er, nachdem er in den Ruhestand gegangen war, das 
Bundesverdienstkreuz. 
Daß scheinbar bedächtige Ostfriesen es manchmal faustdick hinter den Ohren haben 
können, bewies in unserem dritten Beispiel derselbe Chief. Es war bei der Rückfahrt aus 
dem Indischen Ozean. Auf der Reede von Suez lag METEOR vor Anker, um auf die 
Zusammenstellung des Kanal-Konvois zu warten — eine willkommene Gelegenheit für 
die arabischen Händler, mit ihren Kähnen längsseit zu kommen, um ihre Souvenirs an 
den Mann zu bringen. Viele der angebotenen Dinge waren durchaus ansprechend, u. a. 
Lederwaren, zum Teil geprägt oder bedruckt. Mit den Preisen kam man nicht so schnell 
überein — am liebsten nahmen sie natürlich Dollars oder britische Pfunde, nach orientali- 
scher (Un-)Sitte erst einmal weit überhöhte Zahlen fordernd. Unserem Ostfriesen stach 
eine schöne lederne Tasche ins Auge, aber der geforderte Preis schien ihm zu hoch — 
also verschwand er fürs erste wieder unter Deck. Doch irgendwann erschien er wieder, 
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