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Anbindungsleitungen für Offshore-Windparks
Die Verlegung von Gleichstrom-Seekabelsystemen kann zu Beeinträchtigungen sensibler
Lebensräume führen. Um potentielle negative Auswirkungen auf sensible Lebensräume zu
begrenzen und die Schutz- und Erhaltungsziele der Natura2000-Gebiete zu wahren, sollen
Gleichstrom-Seekabelsysteme innerhalb der AWZ vorrangig außerhalb von Natura2000-
Gebieten geführt werden. Sollte dies nicht möglich sein, sind Auswirkungen auf die Schutz- und
Erhaltungsziele der Natura2000-Gebiete im Einzelzulassungsverfahren zu prüfen. Die
strategische Umweltprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung
von Natura2000-Gebieten innerhalb der AWZ durch die Möglichkeit der Umgehung von
besonders schutzwürdigen Bereichen in den Natura2000-Gebieten im konkreten Einzel
verfahren ausgeschlossen werden kann.
Sollten Vorkommen von in § 30 BNatSchG genannten Strukturen bei näheren Untersuchungen
im konkreten Verfahren zur Genehmigung/Planfeststellung von Gleichstrom-Seekabelsystemen
aufgefunden werden, sind diese zu analysieren und bei der Entscheidungsfindung mit
besonderem Gewicht zu behandeln. Ggf. ist eine räumliche Alternative im Nahbereich
ermittelbar, die die entsprechenden Schutzgüter besser zu wahren in der Lage ist. Jedoch ist
zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete räumliche Zuordnung der genannten Strukturen möglich.
Zur weiteren Minimierung sind die Vorgaben des § 45 WHG sowie die beste Umweltpraxis
(„best environmental practice“) gemäß OSPAR-Übereinkommen und der jeweilige Stand der
Technik zu berücksichtigen und im Einzelverfahren zu konkretisieren.
Mit Blick auf § 2 Absatz 2 Nummer 6 ROG, der den Schutz, die Pflege und die Entwicklung von
Natur und Landschaft mit den Erfordernissen eines Biotopverbundsystems verbindet, soll
sichergestellt werden, dass die Ausbreitungsvorgänge und weiträumigen ökologischen
Wechselbeziehungen der Arten und ihrer Lebensräume berücksichtigt werden.
5.3.2.9 Sedimenterwärmung
Bei der Verlegung von Gleichstrom/Drehstrom-Seekabelsystemen sollen potenzielle
Beeinträchtigungen der Meeresumwelt durch eine kabelinduzierte Sedimenterwärmung
weitestgehend reduziert werden. Als naturschutzfachlicher Vorsorgewert ist das
sogenannte „2 K-Kriterium“ einzuhalten, das eine maximal tolerierbare
Temperaturerhöhung des Sediments um 2 Grad in 20 cm Sedimenttiefe festsetzt.
Während des Betriebs der Drehstrom/Gleichstrom-Seekabelsysteme kommt es radial um die
Kabelsysteme zu einer deutlichen Erwärmung des umgebenden Sediments. Die Wärmeabgabe
resultiert aus den thermischen Verlusten des Kabels bei der Energieübertragung. Die
Leitertemperatur kann maximal 90°C, die Manteltemperatur maximal 70°C betragen.
Als naturschutzfachlicher Vorsorgewert hat sich das sogenannte „2 K-Kriterium“, d. h. eine
maximale Temperaturerhöhung um 2 Grad (Kelvin) 20 cm unterhalb der
Meeresbodenoberfläche, in der derzeitigen behördlichen Zulassungspraxis für alle im Bereich
der AWZ verlegten Seekabelsysteme etabliert. Das 2 K-Kriterium stellt einen Vorsorgewert dar,
der nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) auf Grundlage des derzeitigen
Wissenstandes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherstellt, dass erhebliche negative
Auswirkungen der Kabelerwärmung auf die Meeresumwelt bzw. die benthische
Lebensgemeinschaft vermieden werden. Eine stärkere Erwärmung der obersten
Sedimentschicht des Meeresbodens kann zu einer Veränderung der
Benthoslebensgemeinschaften im Bereich der Seekabeltrasse führen. Dabei können
insbesondere in tieferen Bereichen gebietsweise vorkommende kaltstenotherme Arten, die an
einen niedrigen Temperaturbereich gebunden und gegenüber Temperaturschwankungen
empfindlich sind, aus dem Bereich der Kabeltrassen verdrängt werden (vgl. Umweltbericht
Kapitel 4.2.2). Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich durch die Sedimenterwärmung neue,
standortfremde Arten ansiedeln könnten. Eine Erhöhung der Bodentemperatur könnte darüber
hinaus die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Sediments verändern, was wiederum
eine Veränderung von Sauerstoff- oder Nährstoffprofilen zur Folge haben könnte.