4 Meereschemie
264
System Nordsee
Tafel 4-9: Radioaktivität
Radioaktivität ist die Eigenschaft gewisser Elemente, genauer der Atomkerne instabiler Isotope, sich ohne
äußere Einwirkung unter Aussendung einer charakteristischen Strahlung solange umzuwandeln, bis ein
stabiler Endkern entsteht. Bel der Umwandlung (o. a. Zerfall) der Radioisotope ändert sich die Zusammen
setzung (Tellchenstrahlung, z. B. a- oder ß-Strahlung) oder der Energiezustand des Kerns (y-Strahlung);
diese ionisierenden Strahlungsarten unterscheiden sich u. a. hinsichtlich Ihrer Durchdrlngungsfählgkelt
und Strahlenwirkung.
Die meisten der über 40 bekannten natürlichen Radionuklide zählen zu den schwersten Elementen
(Ordnungszahlen 81 bis 92), von denen nur Uran (92) und Thorium (90) in größeren Mengen in der Natur
Vorkommen. Sie lassen sich weiter In primordiale und kosmogene Nuklide unterteilen. Die primordialen
Isotope sind mit dem Weltall entstanden und aufgrund extrem langer Halbwertszeiten noch nicht zerfal
len. Zu diesen gehören Kalium-40, Rubidium-87 sowie die Mutternuklide Uran-238, Uran-235, Thorium-232
mit den Zwischenprodukten der drei natürlichen Zerfallsreihen. Kosmogene Nuklide wie Tritium, Beryl-
lium-7 und Kohlenstoff-14 werden durch kosmische Höhenstrahlung ständig nachgebildet und aus der
Atmosphäre ins Meer eingetragen.
Künstliche Radionuklide fallen bei der Kernspaltung aus Uran oder Plutonium an. Sie gelangen vor allem
durch nukleare Wiederaufbereitungsanlagen, in geringen Mengen auch beim Betrieb von Kernkraftwer
ken über Abluft und Abwasser In die Umwelt. Einige der bei der Kernspaltung anfallenden Nuklide, wie
Tritium oder C-14, entstehen auch durch natürliche Prozesse. Inzwischen sind weit über 2000 künstliche
Radionuklide bekannt.
Niederschlagsraten sind ein Maß für die In einem Zeltintervall anfallende Regenmenge, aus der sich nicht
ohne weiteres ergibt, wie nass der Durchschnittsmensch wird. Genauso wenig sind die gemessenen Zer
fallsraten (Bq) der verschiedenen Radionuklide mit der Strahlenwirkung und daraus resultierenden Be
lastung biologischer Systeme gleichzusetzen. Die Strahlenwirkung hängt zunächst von der vom Gewebe
absorbierten Energie - der Energiedosis-ab, die inJ/kg oder Gray (Gy) angegeben wird. Da die verschiede
nen Strahlungsarten bei gleicher Energiedosis unterschiedliche Wirkungen zeigen, wurden von der Inter
nationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) aus strahlenepidemiologischen Untersuchungen abgeleitete
Strahlungswichtungsfaktoren festgelegt. Ferner wurden Gewebewichtungsfaktoren eingeführt, welche
die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit der verschiedenen Organe und Gewebe berücksichtigen.
Diese dimensionslosen Dosisfaktoren werden mit der Energiedosis zur effektiven Dosis verknüpft, die (zur
Unterscheidung von der Energiedosis) In Sievert (Sv) angegeben wird.
Die effektive Dosis aus allen natürlichen und künstlichen Strahlenquellen beträgt für einen Einwohner in
Deutschland im Mittel 4 mSv im Jahr. Diese Dosis stammt etwa jeweils zur Hälfte aus der natürlichen und
der medizinischen Strahlenexposltlon, Insbesondere aus der Röntgendiagnostik (Koelzer 2006). Zur effek
tiven Dosis aus allen natürlichen Strahlungsquellen trägt die innere Strahlenexposition 1.4 mSv bei, die zu
etwa 75% durch Radon-222 und Radon-220 und Insbesondere deren kurzlebige Folgeprodukte und zu
1/8 durch Kalium-40 verursacht wird. Demgegenüber beträgt die Gesamtaktivität des Standardmenschen
9000 Bq und ergibt sich zu über 95% aus den Zerfallsraten von K-40 (4200 Bq), Be-7 (3800 Bq) und Rb-87
(650 Bq) (Volkmer 2007). Die Aktivität der Rn-Isotope und ihrer Zerfallsprodukte, welche den Hauptbeitrag
zur Dosis leisten, ist hingegen mit insgesamt 45 Bq verschwindend gering.
aktives Isotop bekannt. Der Umstand, dass sich diese Isotope chemisch praktisch
nicht von den stabilen (nicht radioaktiven) Isotopen des jeweiligen Elements unter
scheiden, hat zur Folge, dass eventuelle Anreicherungsprozesse in der Nahrungsket
te nicht von den radioaktiven Eigenschaften, sondern von der Chemie der jeweiligen
Elemente bestimmt werden.
Das Nuklid "Tc (Halbwertszeit 210000 Jahre) reichert sich beispielsweise mit einem
Faktor > 10 5 (gegenüber der Volumenaktivität im Meerwasser) in Braunalgen, wie Bla
sentang oder Sägezahntang aber auch Hummer an, während der Anreicherungsfak
tor für das dosisrelevante Nuklid 137 Cs (Halbwertszeit 30 Jahre) in Meeresfischen nur