4 Meereschemie
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System Nordsee
zung und Struktur - und damit auch in ihren physikalischen und chemischen Eigen
schaften - sehr heterogen. Indem sie in die hormonellen Regelkreise von Organismen
eingreifen, sind Funktionsstörungen mit negativen Folgen für Fortpflanzung und Ent
wicklung möglich, die oft bereits bei extrem geringen Konzentrationen auftreten.
Anthropogene organische Schadstoffe sind im Meer ungleichmäßig verteilt und kom
men in sehr unterschiedlichen Konzentrationen vor. Ihre Verteilung in der marinen
Umwelt ist von vielfältigen Faktoren abhängig. Neben den Eintragsquellen (Schifffahrt,
Industrie, Haushalt, Landwirtschaft), Eintragsmengen und Eintragspfaden (direkt über
Flüsse, diffus über Atmosphäre) sind die charakteristischen physikalischen und che
mischen Eigenschaften der Schadstoffe und der dynamisch-thermodynamische Zu
stand des Meeres für Ausbreitungs-, Vermischungs- und Verteilungsprozesse rele
vant. Die relative Einflussstärke all dieser Variablen kann dabei von Stoff zu Stoff sehr
verschieden sein und hat zur Folge, dass sich nur wenige Schadstoffe konservativ
verhalten; d. h. ein einfacher Zusammenhang zwischen der Konzentration anthropo
gener Stoffe und hydrodynamischen Variablen ist selten erfüllt. Allenfalls für regional
begrenzte Gebiete mit klaren Quellenzuordnungen lassen sich einfache Korrelationen
finden und nutzen. Für eine Zustandsbeschreibung ist daher eine separate und diffe
renzierte Betrachtung der verschiedenen Schadstoffklassen unumgänglich.
Die Routineüberwachung organischer Schadstoffe in der Deutschen Bucht wird vom
BSH hauptsächlich im Frühjahr, Sommer und Herbst im Rahmen von zwei bis drei
Überwachungsfahrten durchgeführt. Im August 2007 wurde als Sonderprogramm die
Schadstoffbelastung der gesamten Nordsee untersucht. Im Untersuchungszeitraum
wurden insgesamt fünf Überwachungsfahrten durchgeführt (Tab. 4-1, S. 169).
Neben der routinemäßigen Bestimmung der in den nationalen und internationalen
Überwachungsprogrammen (BLMP, CEMP) festgelegten Pflichtstoffe werden im Rah
men von Sonderuntersuchungen ein gezieltes Screening auf prioritäre Stoffe (Target-
Screening) und ein umfassendes allgemeines Screening auf neue unbekannte Stoffe
(Non-Target-Screening) durchgeführt; auf diese Weise können neue Umweltgefahren
erkannt werden. Das BSH führt ferner bei schweren Unfällen (Sandoz-Unfall, Apron
Plus) oder ungewöhnlichen natürlichen Ereignissen (Jahrhunderthochwasser der
Elbe im August 2002) Sonderuntersuchungen durch, um die Öffentlichkeit zu aktu
ellen Fragestellungen zu informieren. Derartige ereignisbezogene Untersuchungen
standen im Berichtszeitraum nicht an.
Die Schadstoffkonzentrationen im Sediment werden einmal pro Jahr an 13 Stationen
in der Deutschen Bucht bestimmt. Die Bewertung der räumlichen Schadstoffvertei
lung ist allerdings schwierig, da die Konzentrationen nicht nur von speziellen, lokalen
Belastungsfaktoren abhängig sind, sondern sehr stark von Sedimenteigenschaften
wie dem TOC-Gehalt (»Total Organic Carbon<) beeinflusst werden. Insbesondere beim
Fehlen intensiver lokaler Quellen sind die Sedimentparameter entscheidend für die
Anreicherung von Schadstoffen und deren Konzentration im Sediment. Um diesen
Einfluss auszugleichen, wird auf den TOC-Gehalt der Sedimente normiert. Im Folgen
den werden die Konzentrationen daher sowohl auf die Trockenmasse (TM), als auch
auf den TOC-Gehalt bezogen angegeben.
Die geographische Verteilung des TOC-Gehalts des Sediments in der Deutschen
Bucht ist in Abb. 4-19 dargestellt. Die TOC-Gehaltsverteilung lässt sich nach drei Be
lastungsgruppen klassifizieren, welche über die Konzentrationsintervalle 6-42 mg/g
(rot), 2,2 - 5,9 mg/g (orange) und < 0,4 - 2,1 mg/g (grün) definiert sind.