2.8 Zusammenfassung
System Nordsee
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rend >Vincinette< die bislang höchste Windgeschwindigkeit (31,4 m/s) erreichte. Das
kalibrierte Sturmidentifizierungsverfahren wurde ferner zur Erstellung von Sturmkata
logen genutzt, welche die Häufigkeiten der 3 Sturmklassen für jeden Monat des Zeit
raums 1948-2010 dokumentieren. Auf der Grundlage dieser Kataloge wurde eine
Bewertung des Sturmaufkommens in den gegenüber dem Kalenderjahr um 6 Monate
verschobenen Sturmjahren 2005/06 und 2006/07 vorgenommen.
Abgesehen vom Sturmtief >Uriah<, das am 26.6.2007 zu einer Rekord-Sommer
sturmflut im Emsbereich führte, kamen Stürme in beiden Saisons nur von Oktober bis
März vor. Das Sturmaufkommen in der Saison 2005/06 war auf Monatssicht durchweg
unterdurchschnittlich und zusammengenommen mit 23 Sturmtagen - von denen nur
2 zur SG-Klasse zählten - ungewöhnlich gering. Die Anzahl von G- und SG-Stürmen
in der Saison 2006/07 war demgegenüber mit 40 und 12 doppelt bzw. 6-mal so hoch.
Mit insgesamt 54 Sturmtagen liegt das Sturmjahr 2006/07 auf Rang 3 hinter 1994/95
(56) und 1989/90 (57). Neue Rekordhäufigkeiten wurden im Herbst (OND) und De
zember erreicht (27 & 14). Die Sturmfrequenz für Dezember und Januar (14+12)
wurde nur 1982/83 (7+21) übertroffen und trat gleichzeitig mit Rekordwerten des
Arktischen Oszillationsindex von über 2 auf. Die Orkane >Britta< (1.11.2006), >Franz<
(12.1.2007), >Orkun< (18. 3.2007) und der bereits zur Saison 2007/08 zählende Or
kan >Tilo< (9.11.2007) verursachten an der deutschen Nordseeküste Sturmfluten mit
Hochwasserständen meist deutlich oberhalb 200 cm über MHW.
o Lufttemperatur und Strahlung (S. 102ff.)
Die hier erarbeiteten Befunde basieren auf Beobachtungen des DWD zur Globalstrah
lung und Lufttemperatur auf Norderney - sind jedoch von überregionaler Bedeutung.
Die in den Jahren 2006 und 2007 eingetretenen Abweichungen vom jeweiligen klima-
tologischen Jahresgang wurden auf Zirkulationsanomalien zurückgeführt und dabei
nicht nur miteinander, sondern auch mit den nordhemisphärischen Temperaturen des
NCDC der NOAA in Beziehung gesetzt.
Zu den markantesten Strahlungsanomalien zählen die drastischen Überschüsse im
Juli und ähnlich hohe Defizite im August 2006. Diese Dichotomie, die sich auch in ent
gegengesetzten krassen Temperaturauslenkungen spiegelt, war Ergebnis einer dau
erhaft quasistationären Hochdrucklage (Omegablock), die zur Monatswende durch
eine ebenso persistente Troglage abgelöst wurde. Ein weiterer Omegablock führte im
April 2007 erneut zu signifikanten Strahlungsüberschüssen.
Mit 10,6 und 11,0 °C sind 2006 und 2007 für Norderney die wärmsten Kalenderjahre
im Zeitraum 1971 -2010. In den Schatten gestellt werden diese Rekorde von der
im Juli 2006 mit der europaweiten Hitzewelle einsetzenden 12-monatigen extremen
Warmperiode, in der die Temperatur mit 12,3 °C um 3 K über dem Klimamittel lag. Alle
saisonalen Temperaturen (JAS, OND etc.) erreichten neue Rekordhöhen, so dass
der Jahresgang insgesamt auf einem um 3 K erhöhten Niveau ablief. Maßgebend für
die Persistenz der Anomalie waren eine starke S-liche Anströmungskomponente ab
September, das immense Sturmaufkommen von Oktober bis März, die extreme Zo
nalzirkulation von November bis Januar, die außergewöhnliche Einstrahlung im April
und ein sommerartig schwachwindiges Frühjahr. Der großräumige Einfluss der atmo
sphärischen Zirkulationsanomalien spiegelt sich in der Tatsache, dass die Temperatur
der Nordhemisphäre seit mindestens 130 Jahren in keiner 12-Monatsperiodeso warm
oder wärmer war wie im fast identischen Zeitfenster von Juni 2006 bis Mai 2007.