2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
1:4. Erhebliche Abweichungen hiervon ergaben sich für Winter (1:4), Frühjahr (1:2)
und Herbst 2006 (3:4). Starkwinde (> 10 m/s) traten im Herbst/Winter 2006/07 mit
60% wesentlich öfter auf als im Winter 2006 und Herbst 2007 (je 40%). Gegenüber
den Verhältnissen im Frühjahr (26%) und Sommer 2006 (10%) halbierte bzw. verdrei
fachte sich 2007 das Vorkommen von Starkwinden in den entsprechenden Jahreszei
ten.
Die virtuelle klimatologische Trajektorie des Nordseewindes illustriert den jahreszeit
lich wechselnden Einfluss von Islandtief und Azorenhoch. Gleichförmig kräftige Winde
aus WSW prägen von Oktober bis März die kalte Jahreshälfte, welche unvermittelt in
eine Stagnationsperiode im April und Mai übergeht, für die sich keine Vorzugswind
richtung angeben lässt. Im Verlauf des Frühjahrs setzt sich der Einfluss des Azoren
hochs durch. An dessen Nordrand auftretende schwache WNW-Winde sind ab Juni
charakteristisch für den Durchschnittssommer im Nordseegebiet.
Zu den markantesten Abweichungen von der klimatologischen Trajektorie zählt der
SSW-liche Verlauf im Winter 2006 mit insgesamt dominantem Meridionalwind, aber
extrem geringer Richtungsstabilität von 0,5:9,2 oder 5% im Februar. Bemerkenswert
sind ferner die für April untypische, kräftige und persistente (68%) Westströmung, der
ausgesprochen schwache SW-Wind im Juli sowie die intensive Zonalzirkulation von
November 2006 bis Ende Januar 2007 mit mittleren skalaren Windgeschwindigkeiten
über 15 m/s (Jan.) und Richtungsstabilitäten bis zu 90% (Dez.). Im Juli 2007 erreichte
der W-Wind skalare und vektorielle Windgeschwindigkeiten, die doppelt bzw. 3-mal
so hoch waren wie im Vorjahresmonat. Im September und November stand ein NW-
licher Trajektorienverlauf im Gegensatz zur Klimatologie und SW-lichen Winden des
Vorjahres. Nicht nur die erheblichen Unterschiede in der jahreszeitlichen Entwicklung
beider Jahre, sondern auch deren Abweichungen von der Klimatologie verschwim
men bei Betrachtung von mittleren skalaren (8,4, 8,9, 8,6 m/s) und vektoriellen (4,0,
4,2, 3,5 m/s) Windgeschwindigkeiten für 2006, 2007 und den Zeitraum 1971 -2000.
Die vielleicht augenfälligsten Unterschiede bestehen hinsichtlich der Windrichtungen
(242°, 270°, 253°).
о Sturm (S. 92ff.)
Die Sturmidentifizierung basiert auf einem Schwellwertverfahren für den Sturmindex
G*, der über die im Rahmen der Wetterlagenklassifizierung bestimmten Indizes für
Windgeschwindigkeit und Vorticity definiert ist. Die Umstellung der Datenbasis auf
tägliche Luftdruckfelder der NCEP/NCAR Reanalysis I, die im Unterschied zu den frü
her verwendeten Feldern des UK Met Office nicht auf einem Einzeltermin beruhen,
sondern über 4 Termine geglättete Tagesmittel darstellen, machte eine Neukalibrie
rung der Schwellwerte erforderlich, um eine Unterschätzung der Sturmhäufigkeiten
um knapp 30% auszuschließen. Die Anpassung einer Verallgemeinerten Paretover-
teilung an G* im Zeitraum 1971 - 2000 ergab, dass der Sturmindex Pareto-Typ-2 ver
teilt ist mit oberer Schranke bei 69,2 hPa und zugehörigen Maxima für Windgeschwin
digkeit (V) und Vorticity (Q von 42,9 m/s und 1,05 Umdrehungen pro Tag. Die zu den
Überschreitungswahrscheinlichkeiten 0,1, 0,02 & 1/365 bestimmten neuen Schwell
werte (28,3, 36,6 & 44,6 hPa) der 3 Klassen >Sturm< (G), »starker Sturrm (SG) und
»sehr starker Sturrm (VSG) sind mit Grenzwerten für V und C, von 17,5,22,7 & 27,7 m/s
und 0,43, 0,55 & 0,67 UpT verknüpft.
Die beiden stärksten Stürme ereigneten sich am 2.12.1966 (G* = 55,3 hPa) und
16.2.1962 (G* = 53,7 hPa, >Vincinette<, Hamburger Sturmflutkatastrophe). Der De
zembersturm hält gleichzeitig den Rotationsgeschwindigkeitsrekord (0,78 UpT), wäh