Thorade, H.: Die Gezeitenwelle des Atlantischen Ozeans,
Dadurch ergab sich z. B. für die Nordkomponente der Ausdruck (bezogen auf
den Monddurchgang in Greenwich), em/sec
—35+50 cos SF (t— 43) 481 cos At — 11.0) + 17,5 cos 2 (t— 4.5) +...
Man erkennt, wie stark die rätselhafte 5.6-Stunden- Welle entwickelt ist gegen-
über den schwachen Gezeitenströmen; in den tieferen Schichten verschwindet
sie übrigens. Das erste, nicht periodische Glied des Ausdrucks gibt die Nord-
komponente des Reststroms an. Durch einen ähnlichen Rechenaufwand sind die
Ströme in den übrigen Tiefen ermittelt; hier war jedoch zum Teil nur alle
3 Stunden beobachtet worden, so daß eine Berechnung oft nicht mehr möglich
war, weil der Vermutung ein zu breiter Spielraum blieb. Um in solchen zweifel-
haften Fällen sicherzugehen, hat auch Defant, wie er in der Einleitung
bemerkt, die sehr langwierigen Rechnungen selbst ausgeführt und davon ab-
gesehen, ‚sie Hilfskräften zu überlassen. Z. B. war gelegentlich der Reststrom
selbst veränderlich, was sich darin zeigte, daß die der Nr. 1 entsprechenden
Diagramme eine langsame Zu- oder Abnahme der Stromkomponenten erkennen
ließen; die Scheidung in Reststrom und Gezeitenstrom war dann ganz dem aus
Vertrautheit mit den Zusammenhängen erworbenen VFeingefühl des Bearbeiters
äberlassen, Es mag daher wohl sein, daß ein anderer in manchen Fällen zu
einem anderen Urteile gekommen wäre; aber dem ist entgegenzuhalten, daß &s
sich hier zunächst um eine Entscheidung in großen Umrissen handelt, und daß
für ein weiteres Eingehen auf Einzelheiten schon die Anzahl der Meßstellen
viel zu klein ist,
Nur auf eine Einzelheit sei noch hingewiesen: Es kam vor, daß das Schiff
ins Treiben geriet, ohne daß man es am Kurse merkte; aber die Strommessungen
von diesem Zeitpunkte an zeigten ein völlig anderes Bild und ließen sich auch
nicht durch eine Korrektion mit den vorhergehenden in Einklang bringen. Danach
ist der Wert von Strommessungen vom treibenden Schiffe aus, wie man es
gelegentlich versucht hat, recht zweifelhaft, Übrigens konnte sich beim Treiben
auch gelegentlich Temperatur und Salzgehalt plötzlich ändern.
3. Ergebnisse der Strombeobachtungen. — Überblickt man das Verzeichnis der
gemessenen Gezeitenströme, das noch durch einige Beobachtungen Pillsburys
and Heilland-Hansens vervollständigt wird, so fällt zuerst auf, daß im Gegen-
satz zu der bisher verbreiteten Meinung die Ströme in verschiedenen Tiefen
recht verschieden untereinander sind. Eine Erklärung hierfür erscheint vorder-
hand noch unmöglich; zum Teil mögen auch Unvollkommenheiten der Beobachtung
zugrunde liegen (s. jedoch unten). Behält man indessen im Auge, daß es sich
zunächst nur um eine grundsätzliche Klärung handeln kann, so vermag man
Defant zuzustimmen, wenn er z. B. die verschiedenen Eintrittszeiten (Phasen)
einer Station zu einem Mittel vereinigt (Nr. 2, Tafel 1). Die Phasen verlaufen
dann durch den ganzen Ozean ziemlich gleichförmig; nur im Nordwesten treten
grundsätzliche Abweichungen auf, Mit Hilfe dieser etwas groben Vereinfachung
ist es möglich, das Kartenbild Nr. 3, Tafel 1 des Gezeitenstroms im Atlantischen
Ozean zu entwerfen, in das sich die meisten Beobachtungen einordnen, und das
die alte Whewellsche Vorstellung der von Süden kommenden Flutwelle wieder
erstehen läßt. Wenn diese aber eine einfache fortschreitende Welle ist, so muß
zunächst, wie dies Sverdrup nachwies, der Gezeitenstrom ein cum sole!) um-
laufender Drehstrom sein, Und das ist tatsächlich fast überall der Fall; die
einzige wesentliche Ausnahme bietet die nahe der Küste von Oberguinea (s. Nr. 3)
gelegene Station 229, und hier sind die Gezeiten wahrscheinlich durch Reflexion
an der Küste beeinflußt,
Umgekehrt aber darf man Defant nicht dahin mißverstehen, als ob der
Drehsinn cum sole schon genügte, um auf eine fortschreitende Welle zu schließen,
und es mag hier wegen der Bedeutung des Gegenstandes eine nähere Begründung
‘) Der Ausdruck „cum sole“ wurde von V, W, Ekman eingeführt, um damit für beide Halb-
kugeln den antizyklonalen Drehsinn (auf der Nordhalbkugel rechtsherum) zu kennzeichnen. Der um-
vekehrte Sinn (zyklonal, auf der Nordhalbkugel linksherum) heißt „contra solem“,