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Full text: 10, 1882

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Die genaue Bestimmung der Zeit des Beginns vom Unwetter wurde mir 
in Lübeck dadurch ermöglicht, dafs derselbe mit dem Aufschliefseu des Thores 
des Catkarmeums und dem Ende der Schulpause zusammenfiel. Obwohl nämlich 
der Unterricht erst 10 Minuten nach 2 h beginnt, wird das Thor des Gymnasiums 
mit dem Glockenschlagc 2 geöffnet. Das drohende Aussehen des Himmels ver 
anlagte den Direktor, die Mahlzeit in seiner, 7—8 Minuten vom Catharineum 
entfernten Privatwohnung etwas früher zu unterbrechen, um dafür zu sorgen, 
dafs die Kinder einige Minuten vor dem Schlage hineingelassen würden. Ei 
land jedoch bereits 3—400 Kinder vor dem Thore, und mit seiner Ankunft 
brach auch das Unwetter los, so dafs, als die Kinder über den Hof zum Hause 
liefeu, der von der Südwand der Kirche abprallende Sturm eine Menge Hüte 
nach dem Südende des Hofes führte; die später kommenden wurden durehnäfst. 
Da die Uhr auf der Marienkirche bei meiner Anwesenheit etwa 1'/* Minuten zu 
spät schlug, so kann man das Losbrechen des Unwetters auf etwa l h 07“ 
mittlerer Lübecker Zeit ansetzeu. Es sprechen ferner einige Angaben dafür, 
dafs während der, kaum mehr als 10 Minuten betragenden, Dauer des Unwetters, 
etwa 3 Minuten nach dessen Losbrechen — also um 2 1 ' 0'" — ein Stofs vor- 
gekommen sei, der den ersten an Stärke noch etwas übertraf. Namentlich 
spricht dafür die Wahrnehmung des Bezirksförsters im Israelsdorfer Forst, 
Herrn von Grossheim, der vom Unwetter draufsen überrascht wurde, hinter 
Büschen Deckung suchen mufste und eine isolirt an der Lisière stehende grofse 
Eiche sieh beim ersten Stofs zur Erde biegen, dann wieder halb aufrichten und 
nueh etwa 3 Minuten vom zweiten Stofs umgeworfen werden sah. 
Was die elektrischen Entladungen betrifft, so bezeugen die Herren Thiel 
und Schubring übereinstimmend, dafs Donner erst einige Zeit nach dem Los 
bruch des Windes gehört worden sei; der erster© hat nur einmal, etwa 5 Mi 
nuten nach dem ärgsten 'Windstofs, als das Unwetter schon im Abnehmen war, 
Blitz und Donner beobachtet, und zwar kam der harte Donnerschlag (am 
Mühlenthor) etwa 3 Sekunden nach dem Blitz. Um 2 3 /i Uhr wurde der Kegen 
schwächer und herrschte mäfsiger SW, der zwischen 4 h und 5 h wieder zunahm, 
hei theilweisem Aufklaren. 
Die Richtung des stärksten Windstofses wurdo in Lübeck nach mehreren 
Angaben zu SSW bestimmt, in dem Israelsdorfer Forst fand ich die Richtung, 
aus welcher die Bäume gefallen waren (vgl. unten don fünften Abschnitt), im 
Forstortc Tilgcnkrug zwischen SSW und SW, im Forstorte Schellbruch zwischen 
S und SSW, soweit sie frei und ohne sichtbare Ablenkung durch andere Bäume 
gestürzt waren. Von lokalen Wirbeln war nirgends etwas zu bemerken, die 
Abweichungen in der Lage der Bäume waren so gering, wie mau es bei den 
stets vorhandenen Unregelmäfsigkeiten in der Bewurzelung und der Exposition 
kaum erwarten durfte. 
Im Hafen von Lübeck war der Windstofs, trotz der umgebenden Hügel, 
so stark, dafs er nicht nur eine Anzahl Schiffsunfälle veranlafste, sondern auch 
das Wasser in Sekaumwelleu auf das 1,80m höhere Gestade trieb, und auf 
diesem weiter gegen Koch’s Komptoir und die dort lagernden Getrcidehaufeu, 
eine weifse Seliaummasse bildend. Während der gröfsten Stärke des Sturmes 
konnte man hier „zeitweilig vor Regen, Schaum und Staub in der nächsten Nähe 
absolut Nichts erkennen, bis ungefähr 10 Minuten nach 2 Uhr sich der Regen 
verminderte und der Sturm nachliefs, wo man denn schon dio Folgen des Un 
wetters wahrnahm“. Ueber die letzteren vgl, weiter unten den Abschnitt 5. 
Südlich von Lübeck betrachten wir zunächst das Auftreten der Böe in 
Mölln i. L. Hier zogon, nach den Angaben von vielon Personon, die ich darauf 
hin ausgefragt habe, um 1 ’/T schwarze Wolken aus S oder SSW herauf, dann, 
um l‘/î h , kam eine fahle (belle) Wolke pfeilschnell auf, und gleich darauf fiel 
ein Windstofs ein, der die Luft mit Staub verfinsterte und Wolken von Staub 
und Wasserschaum über den Möllner See dahintrieb; ‘/2 Minute später trat zuerst 
schwacher, dann gleich in Strömen giefseuder Regen ein; während des Regens 
ein Windstofs, der die Schiefer eines Nebengebäudes vom Bahnhof theilweiso 
abhob, ohne indessen in der Stadt erheblichen Schaden zu thun. Der schwere 
Sturm währte ungefähr von l h 30’" bis l' 1 45 ,n fokaler Zeit; die Störung des 
Bahntclegraphen nach Ratzeburg und Büchen wurde in Mölln um l h 39“, in 
Ratzeburg um l h 36™ bemerkt und wird wohl noch einige Minuten früher
	        
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