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Full text: 10, 1882

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Etwas nach Mittag waren auch an der deutschen Nordseeküste, stellen 
weise auch an der westlichen Ostsee, wohin sich die rapide Abnahme des Luft 
drucks fortgepflanzt hatte, Sturmböen eingetreten. In Keitum war um l h p. m. 
der Wind von SSE nach SW umgesprungen und hatte dann rasch die Stärke 
eines vollen Sturmes erreicht. Das Regengebiet war weit über die Odermündung 
hinaus vorgedrungon. Um 2 Uhr Nachmittags herrschte an allen Signalstellen 
von Norderney bis Stolpmünde Regenwetter, nur in Keitum war der Himmel 
halb, in Borkum */* bedeckt. In den letzten sechs Stunden bis 2 h p. m. waren 
die Aenderungen des Luftdrucks, insbesondere im westdeutschen Küstengebiete, 
aufserordentlich grofs; in Keitum war das Barometer gefallen um 12,9, in Kiel 
um 11,5, in Hamburg um 10,0, in Swinemünde, Kassel und Leipzig um 7 mm. 
Ausbreitung des Sturmes über die ganze deutsche Küste war wahr 
scheinlich, und daher wurde auch für den östlichen Theil der Ostsee (von Swine 
münde bis Memel) das bereits angeordnete Signal „Ball“ durch „mäfsiger 
Südweststurm“ ersetzt. 
Bis etwa 2 Uhr war in Hamburg das Wetter ziemlich ruhig, nur einige 
heftige Regenböen hatten vorher geweht, allein Sturmesstärke hatten dieselben 
nicht erreicht. Um 37* Uhr klarte es im westlichen und südwestlichen Horizonte 
auf, dann folgten einige schwere Böen aus SSW. Um 37s Uhr zeigte sich 
blauer Himmel im Zenith. Am Nordosthorizonte lagen über einer niederen 
langgezogenen Wolkenmasse dichte Haufen wölken, darüber ein dichter Teppich 
oirro-strati, oben begrenzt von einzelnen Federwolken. Dieses Aufklaren war 
an der deutschen Nordseoküste meistens schon vor 2 Uhr erfolgt und dann 
meist mit nachfolgender Zunahme des Windes. In Glückstadt trat dasselbe ein 
um 27» Uhr, in Kiel etwa um 3 Uhr, in Hamburg um 37* Uhr, in Wismar vor 
4 Uhr, in Warnemünde (und Travemünde '!) um 5 Uhr, in Arkona um 6 Uhr 
und in Swinemünde um 8 Uhr. Das Anschwellen des Windes erfolgte in Borkum 
Mittags zwischen 12 und 1 Uhr, in Wilhelmshaven und Keitum zwischen 2 und 
3 Uhr, in Hamburg und Kiel zwischen 3 und 4 Uhr, in Wustrow zwischen 
4 und 5 Uhr, in Swinemünde zwischen 5 und 6 Uhr und in Neufahrwasser 
zwischen 7 und 8 Uhr. Dabei zeigte sich die eigenthümliche Erscheinung, dafs 
die Winde vor oder bei Eintritt der gröfsteu Stärke ausschossen, dann aber 
meistens wieder langsam zurückdrehten. Diese Erscheinung hängt offenbar 
zusammen mit dem Vorübergang sekundärer Bildungen, die ich noch unten 
weiter besprechen werde. Gleichzeitig ging das rapide Fallen des Barometers 
in ein langsames über, so dafs sich das obige Phänomen in den beigegebenen 
Barographenkurven ganz deutlich wiederspiegelt. Da jetzt auch die Winde an 
Stärke etwas nachliefsen, so schien die gröfste Gefahr vorüber zu sein, allein 
schon nach einigen Stunden frischten die Winde wieder rasch auf und erreichten 
in den einzelnen Stöfsen eine orkanartige Gewalt. 
Besonders interessant und in mancher Beziehung lehrreich ist die Wetter 
karte vom 14. Oktober 8 Uhr Abends. Auf derselben liegt das Minimum mit 
unveränderter Tiefe (720mm) hart an der Nordwestküste Jütlands, wo nur 
schwache Winde herrschen, seinen Wirkungskreis über ganz Westeuropa bis 
nach dem Innern Russlands hin ausdehnend. Im ganzen Umfang des Minimums 
herrscht Sturm. Die Stürme über England, Schottland, der Nordsee und dem 
Kanal dauern fort und haben sich bis zum Fufse der Alpen ausgebreitet, auch 
über der westlichen Ostsee sowie an den Südküsten Norwegens herrscht meist 
voller Sturm; dagegen im östlichen Ostseegebiete wehen meist nur starke süd 
liche und über Skandinavien, aufser an den Südküsten, nur schwache Winde, 
welche theilweise unter dem Einflüsse des Minimums bei Jütland, theilweise 
unter demjenigen der im hoben Norden verschwindenden Depression stehen. 
Hervorzuheben ist, dafs die durch die Luftdruckvertheilung gegebenen 
Windverhältnisse äufserst günstig waren, grofse Wassermassen an unserer 
Nordseeküste anzustauen und in die Flufsmündungen hineinzutreiben. Die 
Wetterkarte giebt uns ein anschauliches Bild derjenigen Kräfte, welche bei dem 
Zustandekommen und der Entwickelung der Sturmfluth tbätig waren, die in der 
Nacht die Bewohner der Unterelbe in Schrecken versetzte. Ueber der west 
lichen Ostsee wehten südliche und südwestliche Winde, am Eingänge der Ostsee 
östliche, durch welchen Umstand das Wasser aus der Ostsee in die Nordsee 
getrieben wurde. Von der anderen Seite trieben die westlichen Winde im Kanal
	        
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