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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 10 (1882)

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der .südlichen Nordsee größte Wassermassen zu. Ueber der nördlichen Nordsee 
herrschten nördliche Winde, die nach Süden hin allmählich in NW und W 
übergingen. Berücksichtigen wir noch, dafs alle diese Winde zum mindesten 
stürmisch, meistens aber als voller Sturm und vielfach in orkauartigen Böen 
auftraten, ferner dafs zur Zeit des Hochwassers, um Mitternacht (in Kuxhavou 
und ültickstadt um 1 Uhr), an der deutschen Nordseeküste die Winde nach N W 
drehten und mit erneuter Heftigkeit wehten und so der Fluthwello einen neuen 
kräftigen Impuls gaben, so vereinigen sich alle diese Ursachen zu dem Resultate, 
dafs trotz der „Dove Tide“ sich in der südlichen Nordsee, sowie in den Flufs- 
uüindungen schreckencrregendc Wassermassen ansammeln und vou argen Ver 
wüstungen begleitet sciu mufsten. Das Niveau des Wassers war gegen die 
Flufsmüudung ein aufsteigendes, und daher konnte die nächste Fluth keine 
wesentliche Erhebung der Oberfläche zu Stande bringen, um so weniger, als an 
der Unterelbo Dammbrüche eingctretcu waren und die vom Meere kommende 
Fluthwello sich iu die ausgedehnten Ebenen ergiefsen konnte. 
Aehnlich war die Situation beim Sturm vom 30. Januar 1877, wo durch 
die West- und Siidweststürme im Kanal und die Nord- und Noidweststürmc 
über der Nordsee das Wasser au unserer Küste angestaut wurde, wodurch die 
von zahlreichen Verwüstungen begleitete Sturmfluth an der ostfriesischen und 
holländischen Küste entstand, welche die höchste dieses Jahrhunderts in jenen 
Distrikten gewesen sein soll. 
Ueber die Windverhältnisse geben die Registrirungen des neuen au der 
Seewartc nufgestellten Anemometers ein anschauliches und dctaillirtes Bild, so 
dafs für jeden Moment Richtung, Stärke und Geschwindigkeit des Windes neben 
einander übersichtlich durch den Apparat dargestellt sind. 
Der Sturm wurde eiugeleitet etwas Dach 2 Uhr Nachmittags durch rasch 
aufeinander folgende Böen, die mit ziemlich gleiohbleibender Stärke bis etwa 
y’/a Uhr anhieltcn, wobei die mittlere stündliche Windgeschwindigkeit bis auf 
24m pro Sekunde stieg. Nach einigen kleineren Böen von mäfsiger Stärke folgte 
6 3 /4 Uhr eine äufserst schwere, vor welcher der Wind von SSW nach SW aus- 
sehofs und iu welcher derselbe wieder nach SSW zurückdrehte. Vor der Böe 
war das Barometer rasch gefallen, daun ebenso rasch wieder gestiegon. Die 
nächste schwere uud länger anhaltende Böe erfolgte um 9 h 40 m , wobei das 
Barometer in sehr rasches Fallen überging. Dann folgten die Böen mit gleicher 
Heftigkeit rasch auf einander bis zum Morgen. Etwa eine halbe Stunde vor 
Mitternacht war iu Hamburg der tiefste Barometerstand = 727,4mm eiugetreten; 
die mittlere Windgeschwindigkeit stieg dabei auf 28,7 m pro Sekunde. Diese 
mittlere Geschwindigkeit, welche einem starken Sturme entspricht, wurde schon 
Öfters übertroffen, z. B. in dem Südweststurm am 15. März 1876 betrug dieselbe 
iu Hamburg sogar 31,4m. Iu den einzelnen Stöfsen jedoch war die Geschwindig 
keit enorm gröfser, überstieg jedenfalls das Maximum des Druckes in den ein 
zelnen Böen 250 Pfund auf das Quadratmeter. Bis 6 Uhr Morgens dauerten 
die schweren Böen fort, nach und nach spärlicher auf einander folgend und 
nachher allmählich nachlassend. 
Ich habe diesen Sturm iu der Nacht vom 14. auf den 15. vou der frei 
gelegenen Seewartc, wohl dem höchsten bewohnten Gebäude Hamburgs, beob 
achtet, der Eindruck läfst sich schwer wiedergebeu: Das gewaltige Tosen des 
Sturmes, der die Wassermassen auf der Elbe vor sich hertrieb, darunter die 
rasch auf einander folgenden Warnuugsschüsse von der am Fufse gelegenen 
Batterie, welche das weitere Ausehwellen der Sturmfluth anzeigtet), die schweren 
vorüberjagenden Wolkenmassen, die dichten Regengüsse, welche der Sturm gegen 
die Fensterscheiben peitschte, das Alles erweckte trotz der Sicherheit des Baues 
ein besorgnifserregendes unheimliches Gefühl. Mit derselben Gewalt wüthete der 
Sturm an den Nordseeküsten, dafür sprechen die vielfachen Verwüstungen, 
die zahlreichen Sehififbrüche und die vielen Verluste au Menschenleben. Auch 
über Dänemark und au der westlichen Ostsee raste der Sturm mit ungewöhn 
licher Heftigkeit: Gebäude wurden beschädigt, Telegraplienleitungen zerstört, 
Schiffbrüchc karnon vor, und insbesondere haben die heftigen Regengüsse im 
Verein mit dem Sturme mannigfachen Schaden angerichtet. 
Au der deutschen Nordsee trat die gröfstc Windgeschwindigkeit fast 
bcrnll etwas später ein, als in Hamburg, und dann erst mehrere Stunden 
Ami. <t Hyclr., 1SS8, Mett I (Jajttur). 2
	        
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