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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 63. Band Nr. 2
den Menschen, die Bildung von Land möglich. An der Innenseite des reifen und unreifen Watts,
der heute künstlichen inneren Küste, dürfte sich das Land von Natur aus in Zunahme befinden.
Das Ausmaß wird örtlich verschieden sein.
Einem gesetzmäßigen ständigen Abbruch unterliegt nur der Westerländer Vorsprung.
Die vorstehenden Ausführungen gingen von der Annahme einer gleichbleibenden Meerestiefe
aus. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Meerestiefe wenigstens in Küstennähe zuge
nommen hat. K. L ü d e r s (1936a) und E. Rietschel (1940) haben für die letzten 6 Jahr
zehnte ein ständiges Ansteigen der Tidehochwässer aufgezeigt und zwar für die Ostsee ebenso wie
für die Nordsee. K, L ü d e r s nahm an, daß dies Ansteigen demnächst wieder nachlassen könne.
Über die noch ungenügende Ausdeutung dieser Vorgänge hat sich E. Rietschel (1940) aus
gelassen.
Falls dieser Anstieg des Meeresspiegels nicht bald wieder vorüberginge, sondern langfristig
oder gar dauernd wäre, so könnte er auf die Mobilisierung des Sandes am Nordseegrunde hemmend
einwirken und die Sandzufuhr zur Küste mindern. Würde diese ganz versiegen, so wird der Sand
transport an der Küste selber durch den Küstenversatz noch weiter gehen, aber es stände dann nur
der an der Küste vorhandene Sand zur Verf ügung. Die Küste würde also wohl langsam um ein weniges
zurückverlagert werden und langsam nur würden Nehrungsinselreihen wachsen. Es würde bald fast
Ruhestand eintreten.
Durch Anstieg des Meeresspiegels wird ferner der Wasserstand und damit der Wasserinhalt in
einem Wattabschnitt erhöht. Dies dürfte eine Erweiterung der Durchlaßquerschnitte der Gatts
und eine Vertiefung der anschließenden Tiefs und Priele nach sich ziehen, da die größere Wasser
menge in der gleichen Zeit das Abflußsystem durchfließen muß wie vorher die geringere. Es er
scheint nicht ausgeschlossen, daß die von L ü d e r s und Rietschel aufgezeigte Wasserstands
erhöhung für die zunehmende Vertiefung der Priele des nordfriesischen Watts (J. M. L o r e n z e n
1938 S. 13) mit verantwortlich zu machen ist.
Jedenfalls erhellt aus vorstehenden Überlegungen, daß ein genauer Verfolg der Wasserstände
besonders auch im Seegebiet der Deutschen Bucht selber, sowie eine möglichst eingehende Kontrolle
der Sandwanderung und zwar an der Küste und weiter in See hinaus, für die Beurteilung der künf
tigen Entwicklung von großer Bedeutung sind.