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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 63. Band Nr. 2
III. Die künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
Eine Vorausschau über die weitere Entwicklung in der Deutschen Bucht kann nur unter zwei
Voraussetzungen gegeben werden. Einmal muß angenommen werden, daß keine epirogenetischen
oder größeren orogenetischen Senkungen des Nordseebodens einträten. Würde sich der Meeres
boden bei konstanter Lage von Meeresspiegel und Küstenverlauf senken, so würde die Eintiefung
der Nordsee durch Wellenwirkung und Strömung mehr oder weniger aufhören und damit die Sand
zufuhr an die Küsten und in die Deutsche Bucht entsprechend verringert werden.
Die zweite Annahme ist die, daß bei stabiler Lage des Nordseehodens und des Meeresspiegels
die Eintiefung der Nordsee durch Wellenwirkung und Strömung noch nicht ihr Ende erreicht hat.
Mit anderen Worten: es wird vorausgesetzt, daß die Entwicklungsrichtung, die wir für die letzten
7000 Jahre aufzeigen konnten, auch in den nächsten Jahrtausenden andauern wird.
Bei dieser Voraussetzung darf man Folgendes annehmen:
1. Das Innere der Deutschen Bucht wird sich mit Sand anfüllen bis zu der Bogenlinie, an welcher
der in die DeutscheBucht von Westen hineinlaufende Wasserschwall am ungehindertsten gegen
Norden ausschwingt.
2. Diese BogenkÜ6te wird wahrschein
lich zunächst von Wangeroog auf
das Westende von Eiderstedt hin
zielen (Abb. 26).
3. Da aber jener Küstenhogen eine
stärkere Krümmung besitzt als sonst
zu beobachten ist, wird die Auffül
lung vermutlich weiter gehen zu
einem flachen Küstenbogen, der von
Langeoog nach Amrum hinstreht
(Abb. 26).
4. Durch die Entstehung dieses Küsten
bogens würde
a) die heute überwiegend südlich
gerichtete Wirkung des Küsten
stromes südlich von Westerland
auf Sylt verschwinden,
b) der Westerländer Vorsprung kein
Diffluenz-Punkt mehr sein, son
dern ein Küstenvorsprung mit
beiderseits gleich gerichtetem
Transport,wie esTexel heute ist,
c) Wangeroog und Spiekeroog wei
ter gegen Norden zu liegen
kommen.
Abbildung 26
Die heutige, zu starke Einbiegung des Küstenbogens in der Helgoländer
Bucht verhindert zur Zeit den weiteren Aufbau der ostfriesischen Nehrungs
reihe. Bei anhaltender Sandzufuhr sind Bogenküsten aus Nehrungsinseln
von Langeoog nach Amrum und später von Norderney nach Westerland zu
erwarten.