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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 63. Band Nr. 1
II. Eine Reise mit dem M.S. „General Osorio“ von Hamburg nach Buenos Aires und zurück im
Frühjahr des Polarjahres 1933
Für den Ozean-Flugwetterdienst der Deutschen Seewarte sollte im Frühjahr 1933 auf dem
M.S. „General Osorio“ eine Höhenwindmeßstelle eingerichtet werden. Die Hamburg-Amerika-
Linie hatte sich in großzügiger Weise bereit erklärt, die Meßstelle zu übernehmen und zu betreiben.
Sie gewährte dazu dem Verfasser als Angehörigen der Deutschen Seewarte die Teilnahme an einer
Reise nach Buenos Aires und zurück, um die Herren Offiziere des M.S. „General Osorio“ in die Vor
nahme und Auswertung der Höhenwindmessungen einzuweisen. Darüber hinaus war anläßlich des
Polarjahres die Aufgabe gestellt, besonders eingehende meteorologische Beobachtungen anzustellen,
die internationalen Wolkentagebücher zu führen und durch Radiosondenaufstiege aerologische
Werte vom Atlantik zu gewinnen.
Daß Forschungsprogramm, insbesondere die aerologischen Aufstiege, für die unter nor
malen Verhältnissen an Land etwa 5—10 Hilfskräfte zur Verfügung stehen, hätte nicht abge
wickelt werden können, wenn nicht die Schiffsleitung und die Herren Offiziere mit dem größten
Interesse, mit unermüdlicher Fürsorge und ständiger Hilfe die Arbeiten unterstützt hätten. Der
Reederei, Herrn Kapitän Christiansen, den Herren Offizieren Kortbein, Franiel und Junge und
den Herren Funkoffizieren ist in erster Linie das Gelingen der Aufstiege zu verdanken. Ihnen den
aufrichtigen Dank für die gewährte Unterstützung auszusprechen, ist mir eine angenehme Pflicht.
Während die auf dem M.S. „General Osorio“ angewandte Füll- und Starttechnik im Abschnitt B
beschrieben ist, wird im vorliegenden Bericht zunächst der Fahrtverlauf mit den wichtigsten meteo
rologischen Beobachtungen beschrieben, die Art der Auswertung der Radiosondenaufstiege erläutert
und die Ergebnisse der Höhenwindmessungen, der aerologischen Aufstiege und der Beobachtungen
in tabellarischer Form veröffentlicht.
Der Fahrtverlauf:
Die Reise begann am 14. April 1933 in Hamburg. Die Schiffsoffiziere standen in den ersten
Tagen wegen starker anderweitiger dienstlicher Inanspruchnahme für Höhenwindmessungen nicht
zur Verfügung. Der erste Fahrtabschnitt wurde daher ausgenutzt, um die Vorbedingungen für das
Füllen der Ballone und das Laden der elektrischen Radiosondenbatterien zu schaffen.
Das Wetter stand vom 14.—16. April unter dem Einfluß eines westeuropäischen Hochdruck
gebiets und war fast wolkenlos. Am 16. zeigte sich nachmittags in Aufzug von Cirrus und Altostratus
und in der Nacht zum 17. in leichtem Nieseln die erste Wirkung eines von einem atlantischen Tief
druckgebiet ausgehenden Ausläufers.
Am 17. 4. lag das Schiff im Hafen von Vigo und am 18. in Leixoes. An beiden Tagen war hier
an der Südgrenze des erwähnten Ausläufers das Wetter vorwiegend heiter. Am 19. vormittags
wurde Lissabon angelaufen. Im Bereich eines nach Osten ziehenden Randwirbels nahm vormittags
die Windstärke unter Rechtsdrehung von 4 auf 9 m/sec zu, besonders in Küstennahe kam es zu
Niederschlägen. Um 12.30 Uhr (W O Z) wurde Lissabon verlassen, auf See klarte der Himmel auf,
um sich gegen 16.00 Uhr erneut mit Altostratus zu beziehen.
Am 20. früh begann bei relativ kühlem Wetter von Rückseitencharakter die Einweisung im
Pilotieren.
Die Nordgrenze des Nordostpassats wurde auf 17° westlicher Länge bei etwa 31,5° Nordbreite
angetroffen. Die weitere Reise, die in nur 5 Tagen über 40 der meteorologisch interessantesten
Breitengrade führte, war ausgefüllt mit meteorologischen Beobachtungen, Vorbereitung und Aus
führung der Radiosondenaufstiege und der Höhenwindmessungen. Da der zweite Offizier, Herr
Franiel, bereits früher Pilotierungen durchgeführt hatte und der dritte Offizier, Herr Junge, großes
Geschick in der Handhabung des Theodoliten und in der Auswertung zeigte, ging die Einweisung
schnell und mühelos von statten. Die Reise verlief bei der Fülle des Neuartigen für den Beobachter
viel zu schnell. Am 21. um 18/4 MGZ fand der erste Radiosondenaufstieg der Reise statt. Der Ballon