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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte usw. — 62. Band. Nr. Sc. Semmelhack-Reihe: Abhdlg. 5.
vielmehr ihre Ursadie in den jenen Gegenden eigentümlichen Infektionskrankheiten. Deren
Schrecken aber hat der Fortschritt der Tropenmedizin gebannt.
M ü h 1 e n s vom Hamburger Tropeninstitut berichtet ferner über die Gesundheitsverhält-
nisse der aus Afrika heimgekehrten Kolonialdeutschen. Auf Grund neuester Untersuchungen
an über 1400 Deutschen, die seit Herbst 1959 nach Deutschland zurückgekehrt sind, kommt er
zu folgendem Ergebnis: „Die Lebenshedingurtgen sind in Ostafrika, namentlich im Hochland, wesent
lich günstiger als in Westafrika, wo im Küstenland regelmäßige, längere Dienstperioden als höchstens 2—3
Jahre ohne Urlaub für Europäer kaum oder nicht in Frage kommen. So kann auch im westafrikanischen
Küstenland von Dauersiedlung keine Rede sein, während im ostafrikanischen Hochland Europäerfamilien
u. U. in Generationen leben und sich auch unter Erhaltung ihrer Art fortpflanzen können.“
Schließlich — und das mag hier im Zusammenhang festgehalten werden — äußert sich
Roden waldt auf Grund eingehender Studien folgendermaßen: „Vorläufig spricht alles gegen
die Möglichkeit einer Erbänderung der heutigen Menschenrassen durch Klimaeinflüsse. Die Mischlings-
forschung hat ergeben, daß die Rassenelemente der heutigen Menschheit außerordentlich fest sind. Sie ver
erben sich mit größter Konstanz.“
In jüngerer Zeit sind an der D e u t s c h e n See warte Untersuchungen durchgeführt
worden, die sich mit der Physiologie des afrikanischen Tropenklimas befassen, und die in
..Physiologischen Klimakarten ' die räumliche Anordnung derjenigen Gebiete in Ost- und West
afrika zeigen, die vom klimatischen Standpunkt aus für einen Daueraufenthalt von Nordeuro
päern geeignet erscheinen oder nicht.
Zur Frage der Akklimatisation sind ebenfalls zahlreiche neuere Arbeiten erschienen.
Sie lassen schon heute erkennen, daß die Akklimatisation des Nordeuropäers an das tropische
Hochlandklima nicht schwieriger, eher sogar leichter ist als beispielsweise an das russische
Steppenklima. In vielen Gebieten Hochafrikas gibt es weite Räume, in denen der Nordeuro
päer wahrscheinlich — biologisch gesehen — ein ebenso gutes Fortkommen und Gedeihen
unter Erhaltung seiner Art findet als in Mittel- oder Nordeuropa. Statistische Erhebungen
über die Geburtenhäufigkeit und den Gesundheitszustand vieler in den warmen Ländern
lebenden Weißen scheinen dies heute schon zu bestätigen. Voraussetzung ist allerdings, daß
in jenen Ländern die epidemischen Tropenkrankheiten durch sanitäre Maßnahmen zurück-
gedrängt oder ausgemerzt werden. Andererseits muß auf Grund vieler Krankheitserschei
nungen, die im Zusammenhang mit der fast überall während der Winter- und Frühjahrs
monate in der gemäßigten Zone bestehenden unzulänglichen Ernährung auftreten, heute mehr
und mehr festgestellt werden, daß der Europäer hierdurch gegenüber dem Bewohner warmer
Länder sicher benachteiligt ist. Die Untersuchungen haben weiter ergeben, daß besonders der
Großstadtmensch der gemäßigten Zone gegenüber dem Landbewohner warmer Länder in sei
nem biologischen Fortbestände gefährdet zu sein scheint, wie dies bis jetzt kaum geahnt wurde.
Auch Carrel ist in seinem'Buche ..Der Mensch — das unbekannte Wesen“ der Ansicht, daß
die Zusammenballung großer Menschenmassen in Städten der Weiterentwicklung der Mensch
heit entgegentritt.
Eine Übersiedlung von Nordeuropäern in fremde und vor allem wärmere Klimate braucht
keineswegs immer nachteilig für sie zu sein, wie häufig behauptet wird. Die vielen mißlungenen
Siedlungsversuche von Europäern unter anderen Klimaten sind nämlich nur selten auf die
Ungeeignetheit der Klimate selbst zurück zu führen, sondern haben fast stets ihre Ursache darin,
daß für ihr erfolgreiches Gelingen die weit schwerer wiegenden wirtschaftspolitischen Voraus
setzungen fehlten. Diese zu schaffen, ist aber Sache der Politik und Wirtschaftsführung.
Die Akklimatisation ist von größter politisch-wirtschaftlicher Bedeutung. Deshalb ist es
eine Aufgabe der Politik, sich über diese Frage zu unterrichten, ihre Möglichkeiten zu er
forschen und alles zu tun, um eine Bevölkerung zu erziehen, die die Fähigkeit und den
Willen hat, sich an fremdes Klima zu gewöhnen, sei es, daß wir im Osten unsere Grenzen
durch eine bäuerliche und städtische Siedlung sichern, sei es, daß wir in Afrika kolonialen
Rohstoff- und Ergänzungsraum suchen müssen.