52 Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte usw. — 62. Baud. Nr. 8c. Scmmelhack-Reihe: Abhdlg. 5.
Völker harren, solange bietet eine zielbewußte Kolonialpolitik das beste und geeignete Mittel,
Kriege zu vermeiden.
Welche Bedeutung eigene und besonders tropische Kolonien für ein übervölkertes Land
haben, dürfte hinreichend bekannt sein:
In bezug auf die Rohstoffversorgung für die Industrie bedeuten sie einen billigen Bezug
und sichere Versorgung ohne Devisen, denn der Verkehr zwischen Mutterland und Kolonie
erfolgt in heimischer Währung. So könnte allein schon das währungspolitische Moment die
Notwendigkeit zum Erwerb von Kolonien begründen.
Aber auch bezüglich des Absatzes von Industrieerzeugnissen sind Kolonien überaus wichtig.
Eine Rohstoffe liefernde Kolonie gewinnt durch die dadurch bedingte Kapitaleinfuhr an Kauf
kraft, die sie vorwiegend für die Beschaffung von Industrieerzeugnissen ausnützt.
Neben der Ergänzung des eigenen Wirtschaftsraumes für den Bevölkerungszuwachs hat
die Kolonialpolitik in überseeischen und tropischen Gebieten noch ein ganz besonderes In
teresse für uns. Nur in den Tropen wachsen Baumwollstauden, Kautschukbäume, Kokos- und
Ölpalmen, Erdnüsse und jene mannigfaltigen Früchte mit höchstem Vitamingehalt und biolo
gischem Nährwert, wie sie in Mitteleuropa nicht gedeihen können. Je unabhängiger wir in
bezug auf tropische und subtropische Rohstoffe (bei eigenem Kolonialbesitz) vom Ausland
werden, desto stärker wird unsere nationale Wirtschaft blühen und der Bestand unseres Volkes
gesichert sein.
Wenn wir Umschau und uns vor Augen halten, welche Länder der Erde für uns die Mög
lichkeit einer kolonialen Betätigung gewährleisten, so führt uns unsere eigene Geschichte und
die geopolitische Lage auf den afrikanischen Kontinent. Europa und Afrika ergänzen einander.
Das Mittelländische Meer ist als ein Verbindungsweg, nicht als eine Trennung anzusehen. In
vorgeschichtlicher Zeit war ja auch Nordafrika weißen Mannes Land.
Dem übervölkerten Europa steht das fast noch leere Afrika gegenüber. Afrika ist mit
einer Fläche von 30 Millionen Quadratkilometer ein Kontinent von nicht ganz der dreifachen
Größe Europas (11.4 Mill. qkm) und besitzt eine Siedlungsdichte von nur 5.3 Menschen auf
den Quadratkilometer. Während Europa mit einer Bevölkerung von über einer halben Mil
liarde (1940 = 534 Mill.) fast ein Viertel der Menschheit (2.2 Milliarden) beherbergt, zählt die
Bevölkerung Afrikas nur 160 Millionen.
Vergleicht man die Großkontinente in bezug auf Raum und Bevölkerung, so ergibt sich
folgendes:
Fläche und Bevölkerung der Erde im Jahre 194 0.
Kontinent
Fliidic
in Mill. qkm
Bevölkerung
in Mill.
Einwohner
je qkm
Europa
11.4
534
46.8
Asien
41.6
1235
29.9
Amerika
42.9
276
6.4
Afrika
30.0
160
5.3
Australien und Südseeinseln
8.6
11
..2
Europa ist also der am dichtesten besiedelte Kontinent; und in Europa ist wiederum
Deutschland mit 143.6 Menschen auf den Quadratkilometer (für 1937) wegen seiner schmalen
Lebensbasis ein besonders gefährdetes und beunruhigtes Land. Leo llausleiter und andere
Wirtschafter haben vor einigen Jahren nachgewiesen, daß, wenn man Europa von der übrigen
Welt abschließen würde, etwa 1 / i bis 1 U seiner Bevölkerung verhungern müßte, da Europa für
seine dichte Bevölkerung nicht genügend Nahrungsmittel und Textilrohstoffe hervorzubringen