Skip to main content

Full text: 62/63, 1942/43

51 
Wolfgang Schubert : Zur deutschen Kolonial frage. 
So zeigte z. B. der Saarkampf, daß neben der Wehvhoheit und Nahrungsfreiheit die Seß- 
haftmachung des deutscben Arbeiters für das weitere Schicksal unseres Landes von hervor 
ragender Bedeutung ist. Der Großindustrielle Hermann Röchling aus Völklingen im 
Saargebiet führte in einem Vortrage 1935 folgendes aus: „Auf wirtschaftlichem und sozialem Ge 
biete ist es von außerordentlicher Wichtigkeit gewesen, daß unsere (saarländische) industrielle Arbeiter 
schaft im Gegensatz zu derjenigen der meisten Industriegebiete Deutschlands und Europas in stärkstem 
Maße durch Land- und Hausbesitz mit der heimischen Scholle verwachsen ist Die Lehre, die wir 
m. E. aus diesem Saarkampf für unser deutsches Volk zu ziehen haben, ist, daß es keine größere Aufgabe 
auf sozialem Gebiete gibt als die, dem Arbeiter in Deutschland zu eigenem Besitz an Land und 
Haus — mit ausreichendem Stall zur Kleintierhaltung — also zur Heimstätte — zu verhelfen. Es ist nicht 
überspitzt, wenn ich behaupte, daß die Unterbringung der Mehrheit der industriellen Arbeiterschaft in 
Mietswohnungen eine ungeheure Gefahr für den Bestand des Staates dar stellt.“ 
Wir wissen, daß Deutschland durch den Druck einer steigenden Bevölkerung und infolge 
mangelnden geeigneten Siedlungslandes ein Industriestaat geworden ist. Das Verhältnis der 
landwirtschaftlichen Bevölkerung zu der Gesamtbevölkerung beträgt heute etwa 1 :414—5. 
Noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war das Verhältnis 1 :2Vfe. Dabei ist die 
landwirtschaftliche Bevölkerung nur unwesentlich zurückgegangen. Dagegen ist die der In 
dustrie und des Handwerks seit 1882 um 96 v. H. und die des Handels und Verkehrs um 
170 v. H. gestiegen. Und dies innerhalb von 40 Jahren. 
Berufszählungen gegliedert nach Wirtschaftsabteilungen: 
Jahr 
Land- 
und Forstwirtschaft 
Industrie 
und Handwerk 
Handel 
und Verkehr 
Gesamtbevölke 
rung in Millionen 
1882 
16.0 Millionen 
14.8 Millionen 
3.8 Millionen 
40.2 
1925 
14.4 
26.6 
10.6 
63.2 
1935 
13.7 
25.8 
11.2 
66.0 
Berechnet auf den Gebietsstand vom 1. Januar 1954. 
Nach der liberalistisch-marxistisehen Auffassung sollte sich die Weltwirtschaft auf der 
Grundlage einer internationalen Arbeitsteilung entwickeln. Man sprach von Agrarländern und 
Rohstoffländern einerseits und von Industrieländern andererseits. Man dachte international 
und nicht völkisch-politisch und glaubte, daß nur einige wenige Länder dazu ausersehen seien, 
die Welt mit Industrieerzeugnissen zu beliefern. Audi wollte man nichts von einer Kolonial 
politik wissen, denn die Ersddießung von Neuländern zwedcs Siedlung war schwierig und 
mühsamer als die Ausnützung der Arbeiter für einen großen Weltmarkt. 
Indessen ist die Entwicklung eine andere gewesen. Durch den ersten Weltkrieg und durch 
das Fehlen einer durchorganisierten Weltwirtschaft gezwungen, erstrebten fast alle Staaten 
eine möglichst autarke Nationalwirtschaft, wobei das völkisch-politische und rassische Moment 
in den Vordergrund trat. Durch diese strukturelle Umwandlung der Weltwirtsdiaft — man 
kann von einer soldien kaum noch reden — gerieten die übervölkerten, nicht autarken Staa 
ten, bei denen also der machtpolitische Raum kleiner ist als der für die Nation erforderliche 
wirtschaftseigene Nahrungsraum, in arge Bedrängnis. Zu diesen Ländern sind besonders 
Deutschland. Japan und Italien zu rechnen. 
Soldien übervölkerten Ländern bleibt nur die Wahl, entweder einen Teil ihrer Bevöl 
kerung absterben zu lassen und sich künftighin auf den engen Lebensraum zu beschränken, 
das würde aber den unvermeidlichen Tod der Nation bedeuten — oder aber nach einer Er 
weiterung des Lebensraumes zu trachten, d. h. aber Raumpolitik = Kolonialpolitik zu treiben. 
Solange es noch erschließungsbedürftige und besiedlungsfähige leere Räume auf Erden 
gibt, und solange diese noch einer gerechten Verteilung unter die zurZeit auf Erden lebenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.