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Full text: 62/63, 1942/43

Wolfgang Schubert: 
Zur deutschen Kolonialfrage. 
Der Krieg, der 1939 anfangs zwischen Deutschland und Polen ausbrach, hat heute in 
seinen Strudel fast alle Völker der Erde gerissen. Es entstehen Kriegsschauplätze an den 
mannigfaltigsten Punkten des Erdballs. An die Seite der Achsenmächte, Deutschlands und 
Italiens, ist Japan getreten, das — ähnlich wie Deutschland — gezwungenermaßen die Fes 
seln seines allzu engen Landes sprengt und sich in Ostasien einen Großraum für seine wach 
sende, nach Entfaltung drängende Bevölkerung zu schaffen sucht. 
Im ersten kühnen Ansturm hat sich Japan aus dem ostasiatischen und australischen 
Raume die Plätze erobert, die ihm militärische Stützpunkte oder wirtschaftliche Versorgungs 
basen sein werden. Damit hat es sein Kriegspotential vergrößert, gesichert und sich von 
fremden Hilfsquellen unabhängig gemacht. 
Diese japanische Expansion geht auf Kosten von Holland, England und Amerika. Daher 
versuchen England und Amerika neue Wege, um aus der Bedrängnis herauszukommen. Mada 
gaskar wird von den Engländern besetzt, um den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung 
zu sichern, nachdem das Mittelmeer durch die Achsenmächte gesperrt ist. Amerika versucht 
jetzt in Afrika Ersatz zu schaffen. Für die Vereinigten Staaten ist der Weg über Brasilien, 
Westafrika, Ägypten der sicherste, um seine Bundesgenossen mit Kriegsmaterial zu versorgen. 
Es baut mehrere große Straßen quer durch Afrika — so durdi Kamerun und den Belgischen 
Kongo — und erschließt sich damit zugleich die Rohstoffgebiete Mittelafrikas, die landwirt 
schaftlich und industriell gleich wertvoll sind. Damit legen die Vereinigten Staaten die wei 
tere Blockade um Europa, um es von allen Rohstoffen der Tropengebiete abzuschneiden. 
Schon die Tatsache, daß Afrika als militärische und wirtschaftliche Aufmarschbasis un 
serer Feinde für uns eine Bedrohung ist, wird uns veranlassen, diesem Kontinent unsere er 
höhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir können es nicht dulden, daß die Vereinigten Staaten 
sich in Afrika festsetzen und es für sich ausbeuten, da es der letzte Ergänzungsraum für 
Europa für die wichtigsten tropischen Rohstoffe ist. Europa würde bei weiterem Wachsen 
seiner Bevölkerung überdies nicht ausreichende Lebensmöglichkeiten besitzen. 
Afrika erhält als Kolonial- und Ergänzungsraum für Europa große Bedeutung schon da 
durch, daß Europa mit 47 Menschen auf den Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte 
Erdteil überhaupt ist. Es beherbergt über 14 der ganzen Menschheit, für die es Lebensmög 
lichkeiten in ausreichendem Maße keineswegs zu bieten vermag. Diese Tatsache hat sicherlich 
unseren großen Kolonialgründern Carl Peters, F. A. E. Lüderitz und Gustav Nachtigal vor 
Augen gestanden, als sie in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts das deutsche Kolonial 
reich in Afrika begründeten, in einer Zeit, als trotz des gewonnenen Krieges 1870/71 Tau 
sende von Deutschen auswanderten, weil ihnen die Heimat zu eng geworden war. Ein großer 
Teil der in der Heimat verbleibenden Bevölkerung mußte sich auf dem Umwege über den 
Warenabsatz nach dem Auslande durch Einfuhr von Nahrungsmitteln und Rohstoffen aus 
dem Auslande, also vom fremden Boden ernähren. 
Im Jahre 1884 schrieb Carl Peters in einem Aufruf an das Deutsche Volk zur Grün 
dung der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation" u. a.: „Der deutsche Auswanderer, sobald er die 
Grenzen des Reiches hinter sich gelassen hat, ist ein Fremdling auf ausländischem Grund und Boden 
Der große Strom deutscher Auswanderung taucht seit Jahrhunderten in fremde Rassen ein, um in ihnen zu 
verschwinden Alljährlich geht die Kraft von 200 000 Deutschen unserem Vaterland verloren. Diese 
Kraftmasse strömt meistens unmittelbar in das Lager unserer wirtschaftlichen Konkurrenten ab und ver 
mehrt die Stärke unserer Gegner.“ 
Was Carl Peters damals vorausgesehen hat, ist über alles Erwarten eingetreten. Fragen 
wir uns heute, was überhaupt die überseeischen Feinde Deutschlands befähigt, gegen Europa
	        
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