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Full text: 61, 1941

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums, 61. Band, Nr. 4 
besonders den Winden, bietet die Ostsee also eine sehr günstig gelegene Angriffsfläche dar, und wir werden die 
Ursachen der kräftigen Eigenschwingungen auch nur im größeren Aufbau des atmosphärischen Geschehens, 
weniger in seiner Feinstruktur, zu suchen haben. 
Die Theorie der vom Winde erzeugten Wässerbewegungen ist noch nicht genügend entwickelt, um eine 
quantitative Berechnung der entsprechenden Wasserstandsveränderungen in jedem einzelnen Falle zu ermöglichen. 
Die bisherigen Untersuchungen über die Einwirkung des Windes auf die Meeresoberfläche [E. Palmen (29)] 
beschränken sich auf den stationären Fall, d. h. es wird angenommen, daß ein konstanter Wind so lange über 
dem Meeresgebiet weht, bis sich ein stationärer Strömungszustand eingestellt hat. 
Die wirkende Kraft ist der Tangentialdruck des Windes auf die Meeresoberfläche. Diese Kraft erzeugt eine 
Oberflächenströmung und verursacht einen Wassertransport von der Luvseite zur Leeseite des Wasserbeckens, 
wobei an der letzteren ein Anstau des Wassers stattfindet. Die Meeresoberfläche ist dann geneigt, und der 
dadurch entstehende Druckgradient erzeugt in der Tiefe eine Gegenströmung, die im stationären Fall ebenso 
groß ist wie die Strömung mit dem Winde in den obersten Wasserschichten. Die Meeresoberfläche stellt sich 
auf einen neuen Gleichgewichtszustand mehr oder weniger geneigt ein und behält diese Neigung so lange bei, bis 
das Kräftegleichgewicht durch irgendwelche Ursachen gestört wird. Solche Störungen des Gleichgewichtszu 
standes werden beispielsweise durch plötzliche Änderungen in der Windstärke oder Windrichtung hervor 
gerufen. Die geneigte Meeresoberfläche sucht dann möglichst schnell eine neue Gleichgewichtslage einzunehmen. 
Die bei der Schiefstellung der Meeresoberfläche aufgespeicherte potentielle Energie wird z. B. beim Abflauen 
des Windes ganz oder teilweise frei und geht in kinetische Energie über. Die Wassermasse gerät in Schwin 
gungen, die erst dann auf hören, wenn die potentielle und kinetische Energie durch Reibung der Wasser 
teilchen untereinander und an den Wandungen des Beckens oder durch äußere atmosphärische Einwirkungen 
in andere Energieformen übergegangen und die neue, stationäre Gleichgewichtslage erreicht ist. 
Ein Beispiel für die Auslösung von Schwingungen durch eine zeitliche Änderung des Windes ist derSchwin- 
gungsfall vom 11. bis 16. März 1936 (Abb. 9). 
Die Wetterlage war auf Grund der 8-Uhr-Karten der Deutschen Seewarte kurz folgende: 
11. März: Von einem Tiefdruckgebiet an der spanisch-portugiesischen Küste erstreckt sich ein Aus 
läufer über Westdeutschland hinweg bis zur mittleren Ostsee und steht in Verbindung mit einem Tief über 
der Barentssee. In dieser Tiefdruckfurche sind mehrere kleine Störungen entstanden, die langsam nordostwärts 
wandern. Über Skandinavien liegt ein kleines Teilhoch, das durch eine schmale Hochdruckbrücke mit dem west 
atlantischen Hoch in Verbindung steht. Im ganzen Ostseeraum herrscht Windstille oder schwacher Wind 
aus wechselnden Richtungen (Stärke 1—2). 
1 2 . M ä r z : Das Tiefdruckgebiet über der Barentssee ist unter Auffüllung zum Nordural gezogen. Die 
auf seiner Rückseite ausfließende Kaltluft hat über Skandinavien ein kräftiges Hochdruckgebiet aufgebaut. Ein 
Tief über Polen, dem auf seiner Vorderseite warme Mittelmeerluft zugeführt wird, hat sich nach Norden ver 
lagert und liegt jetzt mit seinem Kern bei der ostpreußischen Samlandküste. Die dadurch erfolgte Gradient 
verschärfung auf der Südostseite des skandinavischen Hochdruckgebietes brachte in der Ostsee stark 
auffrischende Winde aus nordöstlicher bis nördlicher Richtung. 
13. März: Das Hochdruckgebiet über Skandinavien hat sich etwas ostwärts verlagert und liegt über 
Finnland. Das Tiefdruckgebiet liegt nach wie vor an der ostpreußischen Küste, hat sich aber etwas aufgefüllt. 
Der Luftdruckgradient in der mittleren und westlichen Ostsee ist nicht mehr so stark wie am Vortage, nur im 
Finnischen Meerbusen hat sich durch die Verlagerung des Hochdruckgebietes der Gradient etwas verschärft. 
An den folgenden Tagen lockert sich der Luftdruckgradient im ganzen Ostseeraum und im Finnischen 
Meerbusen weiter auf und der Wind wird allgemein schwächer. 
In Tabelle 2 ist die Windrichtung und -stärke (Beauf.) für Feuerschiff Adlergrund (11) für den Zeitraum 
10. März 3 Uhr (MGZ) bis 14. März 23 Uhr angegeben, aus der weitere Einzelheiten über die Veränderung des 
Windes entnommen werden können.
	        
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